Ein Magier bläst zum Angriff

2.11.2018, 18:00 Uhr
Ein Magier bläst zum Angriff

© Marcus Weier

Der Raum ist erfüllt von harten, lauten Beats, im Publikum wippen Köpfe und Füße im Takt mit. Dann ein Solo, das aufhorchen lässt. Ist es eine Rockgitarre, die da solche funkigen, schrillen, wahnwitzigen Töne hervorbringt? Man könnte es fast glauben, solange man den Musiker vorne am Rand der Bühne nicht sieht.

Der Brite Will Wilde, der mit seiner Band gerade durch Europa tourt, trägt schräg über dem ärmellosen Hemd einen breiten Ledergürtel, in dessen Schlaufen mehrere Mundharmonikas auf ihren Einsatz warten. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr experimentiert Wilde mit den Möglichkeiten dieses hauptsächlich in der Volksmusik und im Blues relevanten Instruments und erzeugt darauf Töne, wie man sie von einer Mundharmonika so noch nie gehört hat.

Eigene Stimmung

Um die Grenzen des Möglichen so weit nach außen zu schieben wie irgendmöglich, hat Wilde eine eigene Stimmung, das "Wilde tuning" erschaffen, durch das die Bluesharp es jederzeit mit einer Rockgitarre aufnehmen kann — zumindest, wenn man sie so beherrscht wie Wilde es kann, der schon als "Hendrix der Mundharmonika" bezeichnet wurde.

In der Kofferfabrik präsentiert die Band harte Rocksongs ebenso wie Klassiker des Blues. "No way to slow down", singt Wilde einmal mit seiner kräftigen, geraden Stimme, und das trifft es gut, was die vier Männer auf der Bühne machen. Ungebremst, wild und brachial präsentieren sich die Vier, Wilde oft in heldenhaften Posen mit hochgerecktem Arm oder einer Hand auf dem Herzen.

Zu den Wurzeln

Hardrock ist freilich nicht alles, was an diesem Abend zu hören ist. In "Paranoia", das mit einem leiseren Gitarrenintro beginnt, flackert die Harmonika psychedelisch auf und ab, schreit zwischen den Liedzeilen auf, gleitet dann in ein fast melancholisches, langsameres Solo, in dem man die musikalischen Wurzeln Wildes im Blues hören kann. Ein Tribut an britische und irische Blues-Rock Legenden, an Deep Purple und Led Zeppelin ist das jüngste, in diesem Jahr veröffentlichte Album der Band "Bring it on home" mit Songs wie "The Wizard" von Black Sabbath, für Wilde eine der größten Herausforderungen an sein Instrument, oder Gary Moores "Parisienne Walkways".

Da wird es dann zwischenzeitlich beinahe kitschig. Da ist nichts mehr zu hören von der aggressiven Geradlinigkeit vieler anderer Titel, erklingen zitternde und schluchzende Töne — bis dann ein schier unendlicher, auf- und abschwellender Ton auf der Mundharmonika als Auftakt für ein weiteres absolut kontrolliertes, aber wie außer Rand und Band geraten wirkendes Zwischenspiel dient.

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