Ein Netz aus zart leuchtenden Spinnfäden

20.4.2018, 10:05 Uhr
Ein Netz aus zart leuchtenden Spinnfäden

© Foto: Julien Mignot

Nur wenige Wochen nach dem Quartetto Prometeo im Kulturforum bekamen Fürths Kammermusikfreunde jetzt abermals Weltklasse serviert. Beide Quartette waren nach frühen Auszeichnungen im ARD-Musikwettbewerb schnell ins Oberhaus der Szene aufgestiegen. 1999 hatten sich Pierre Colombet, Gabriel Le Magadure und Raphaël Merlin am Konservatorium in Boulogne-Billancourt nahe Paris kennengelernt; Marie Chilemme hat inzwischen den Platz des Bratschers aus der Erstbesetzung übernommen.

In Fürth legten sie einen Schwerpunkt auf das Quartettschaffen Ludwig van Beethovens und zunächst auf ein frühes Werk der Opus-18-Reihe. Atemberaubend, wie im Allegro des G-Dur-Quartetts Colombet die erste Figur als gehauchten Seufzer gestaltet, dann alle in der Exposition komödiantisch die galanten Themen ausspielen. In der Durchführung lassen sie die Muskeln des dynamisch-kraftvollen jungen Beethoven spielen, bis der eindringliche Puls des Violoncellos die Reprise einleitet. Mit dicht gewebten Harmonien beginnen sie das Adagio, um überraschend im Mittelteil in einen ausgelassenen Tanz abzuschweifen. Mit dem heiteren Scherzo samt furiosem Presto-Schluss hatten die Franzosen das Publikum endgültig von diesem Kleinod überzeugt.

Für seine leidenschaftliche Aufnahme der Quartette von Debussy, Ravel und Fauré hatte das Ensemble 2009 den ersten von mehreren Echo-Klassik-Auszeichnungen bekommen. Nachdem Ravel ihm sein G-Dur-Quartett gewidmet hatte, wagte sich Gabriel Fauré erst mit fast 80 Jahren an sein e-Moll-Quartett, dessen Uraufführung er nicht mehr erlebte. Dreisätzig gestaltet, kreist es in seinem eher düsteren Charakter um letzte Dinge, wie eine vergeistigte Meditation.

In breitem Tempo setzt Chilemme mit der düsteren Einleitungsphrase der Viola ein. Wie zarte Spinnfäden leuchten können und in verzwickter Ordnung zueinander stehen, so verbinden die Vier meisterhaft polyphon und betörend Struktur mit Harmonie. Man fühlte sich nicht nur dem Fin de Siècle nahe, sondern auch den Klangfarben von Schönbergs "Verklärter Nacht". Dies wurde auch im weich fließenden Andante vollendet vorgeführt, das von Trauer, Trost und Leidenschaft berichtet; herausragend Merlin mit seiner herrlich profunden Kantilene. Im lockeren Rondo-Finale spürt man wieder Heiterkeit und glaubt die Luft südfranzösischer Kräuterfelder zu atmen.

Nur sieben Jahre trennen Beethovens drei Quartette op. 59 aus der Entstehungszeit der vierten Symphonie und des Violinkonzerts von seinen frühen Quartettkompositionen — was für eine Entwicklung. Das dritte C-Dur-Quartett beginnt mit einer tastenden Einleitung, die Ébène unendlich langsam auskostet. Im Allegro vivace beherrscht es die intensive Klangverschmelzung ebenso perfekt wie das solistische Ausschwingen musikalischer Gedanken aus dem Klangkörper, zelebriert im Andante hauchzart süffisante Melodielinien der Geigen und der Bratsche.

Singulär Beethovens Einfall, erst im Finale den eigentlichen Gipfel der Entwicklung außerordentlicher Dynamik zu setzen. Mit virtuosem Ausdruck und makelloser Schönheit machen die restlos überzeugenden Franzosen all das zum überwältigenden ästhetischen Erlebnis.

Frenetischer Beifall für eine Quartett-Sternstunde, der die Künstler am Ende mit einem rhythmisch-raffinierten Miles-Davis-Arrangement ein jazziges Sahnehäubchen aufsetzten.

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