Ein Stück Heimat in der Fremde

19.7.2013, 22:00 Uhr
Ein Stück Heimat in der Fremde

© Müller

Es ist eine Anstecknadel. Nicht sonderlich auffällig, vielleicht so groß wie eine Zwanzig-Cent-Münze. Klein also, gemessen an dem, wofür sie steht.

Mit dem Goldenen Kleeblatt ehrt die Stadt Menschen für ihr Engagement, für ihr Lebenswerk. Nur 52 Menschen haben diese Auszeichnung bislang bekommen. Seit dieser Woche einer mehr: Frank Harris.

Während die meisten Träger des Goldenen Kleeblatts in Fürth leben, hat Harris der Stadt vor Jahrzehnten den Rücken zugewandt. Unter der Herrschaft der Nazis musste Harris, der damals noch Franz Siegmund Heß hieß, mit seiner Familie fliehen. Zwischen seiner neuen Heimat und seinem Geburtsort liegt nun ein Ozean, 6500 Kilometer trennen ihn von seiner Vergangenheit. Viele Jahre stand für Harris fest: „Nie wieder kehre ich nach Fürth zurück.“

Zu groß waren Leid und Grausamkeit, die ihm, seiner Familie, seinen Freunden und Millionen anderen Juden von den Nazis angetan worden waren. Erst 1997 brach Harris den Vorsatz. Damals reiste er nach Fürth, um das Schoah-Denkmal am jüdischen Friedhof zu ehren.

Um die dritthöchste Auszeichnung der Stadt entgegenzunehmen, hat er die weite Reise zum zweiten Mal angetreten. Eine Reise, die ihm hilft, ein Kapitel seines Lebens zu schließen, das er immer vergessen wollte, erzählte er. „Das entbietet unseren allergrößten Respekt“, sagte Oberbürgermeister Thomas Jung. Die Stadt selbst hat Harris zwar jahrzehntelang gemieden. Doch die ehemaligen jüdischen Fürther hat er umso intensiver gesucht. Zusammen mit seinem Freund Lee Daniel-Fichtenberger — ebenfalls aus Fürth — hat sich Harris 1977 daran gemacht, ehemalige jüdische Fürther und Nürnberger aufzuspüren. Innerhalb von einem Jahr hat er 200 zusammengebracht. Ein Jahr später haben sie sich zum ersten Mal in New York getroffen.

Newsletter an 1200 Menschen

Die Freunde, Klassenkameraden und Bekannten aus der Kindheit nach all den Jahren wiederzusehen, das war für Frank Harris ein besonderer Moment. „Das erste Treffen war das emotionalste“, erzählte er im Gespräch mit den FN. Inzwischen haben bereits zehn solcher Reunions stattgefunden. Auch einen Newsletter hat Harris ins Leben gerufen. Heute erreicht dieser 1200 Menschen auf fünf Kontinenten. „Damit gibt er den Hinterbliebenen einen Teil ihrer Vergangenheit zurück“, sagte Jung. Und fügte hinzu: „Das hat einen unschätzbaren Wert.“ In dieser Sache war sich der Stadtrat einig: Geschlossen stimmte er dafür, den 90-Jährigen auszuzeichnen.

Es ist nicht die einzige Ehrung die Harris bislang erhalten hat. Auch in New York und Norwalk genießt er hohes Ansehen. In den USA berichtet Harris vor Schulklassen immer wieder von seinem Schicksal. Ihm ist es wichtig, dass die Menschen nicht vergessen, sondern aus den Geschehnissen lernen.

„Mögen die Lehren aus unserer schwierigen Vergangenheit uns helfen, dass wir gemeinsam in der Gegenwart leben“, sagte Harris. „Und mögen sie uns erlauben, dass wir gemeinsam von der Zukunft träumen.“

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