Einblick in eine Zeit von Folter und Mord

10.4.2014, 21:00 Uhr
Einblick in eine Zeit von Folter und Mord

© Joachim Sobczyk

Auf den ersten Blick ist es eine Ausstellung wie viele andere: ein paar Stellwände, beklebt mit Plakaten. Doch was darauf zu lesen ist, geht unter die Haut. Es sind Biografien von 25 Fürthern, die zwischen 1933 und 1945 von den Nazis politisch verfolgt, weggesperrt, misshandelt oder sogar ermordet worden sind, weil sie eine andere politische Meinung hatten und diese auch vertraten.

Da wäre Johann Frenzel. Das Mitglied der Kommunistischen Partei (KPD) gehörte einer Widerstandsgruppe an, die in Fürth Flugblätter verteilte und Geld für die Familien von eingesperrten Genossen sammelte. 1936 wurde er an die Gestapo verraten. Frenzel kam in Haft und verlor sein Leben im Alter von nur 29 Jahren in einer Gaskammer der NS-Tötungsanstalt Hartheim bei Linz.

Oder Christian Hofmann. Der Fürther KPD-Stadtrat fiel bereits der ersten Verhaftungswelle der Nazis nach der Machtergreifung 1933 zum Opfer. Bis zu seinem Tod 1942 saß er — ohne je verurteilt worden zu sein — im Lager. Er starb in Dachau an den Folgen eines medizinischen Versuchs: Ein Arzt hatte ihm die Schilddrüse entfernt. In den amtlichen Schreiben an die Angehörigen lautete die Todesursache in der Regel „Versagen von Herz und Kreislauf“.

Der Hobby-Historiker Siegfried Imholz weiß von 188 Fürthern, die wegen ihres politischen Engagements unter der Verfolgung des NS-Regimes leiden mussten. Zwölf von ihnen wurden ermordet oder starben an den Folgen von Misshandlungen. Die beiden ersten waren im April 1933 Rudolf Benario und Ernst Goldmann. Auf die Schicksale von anderen stieß der 67-Jährige bei seinen Recherchen — unter anderem im Landesentschädigungsamt sowie im Hauptstaatsarchiv in München. Dort liegen die Akten der NS-Opfer, die zum Teil bis in die 70er Jahre dafür kämpfen mussten, um vom Staat für das Erlittene entschädigt zu werden.

Narben von den Ketten

Vor allem KPD-Mitglieder hatten einen schweren Stand, weil man ihnen unterstellte, so Imholz, dass sie mit ihrem Widerstand gegen die Nazis lediglich das eine Unrechtsregime durch ein anderes hätten ersetzen wollen. Im Gegensatz zu den Hitler-Attentätern vom 20. Juli 1944, allesamt hochrangige Militärs, sind die Biografien vieler Kommunisten und Sozialdemokraten unbekannt. „Gebt ihnen einen Namen“ heißt daher die Ausstellung, für die Imholz große Unterstützung vom Fürther Infoladen Benario erhalten hat.

„Unsere Generation kannte viele dieser Menschen noch“, sagt Imholz’ Frau Elisabeth. „Wenn wir ihre Namen nicht ins Gedächtnis rufen, macht es niemand mehr.“ Der ebenfalls internierte Georg Hausladen etwa war 1975 Trauzeuge des Ehepaars Imholz. Auch das SPD-Mitglied Walburga Müller kannte Siegfried Imholz noch persönlich. Sie habe ihm einmal Narben an den Hand- und Fußgelenken gezeigt. Sie stammten von den Ketten, die sie in zwei Jahren Einzelhaft habe tragen müssen. Walburga Müller überlebte — „psychisch angeschlagen“, wie Imholz sagt, und starb Anfang der 90er Jahre in einem Altenheim in Burgfarrnbach.

Zu sehen ist die Ausstellung „Gebt ihnen einen Namen“ noch bis Samstag im Kulturforum. Wer sie dort verpasst, erhält zwei weitere Gelegenheiten: Im Mai kommt die Schau in den Infoladen Benario, Nürnberger Straße 82, und vom 31. Juli bis 31. August in die Kofferfabrik, Lange Straße 81.

Siegfried Imholz, in früheren Jahren Vorsitzender der Fürther DKP, hat vor, die Biografien in einem Buch zusammenzufassen. Nur wann es so weit sein wird, kann er nicht sagen. Es ist nicht lange her, da stieß er in einem Totenbuch des Konzentrationslagers Buchenwald auf die Namen von fünf gebürtigen Fürthern, die er bislang nicht einordnen kann. „Ich glaube“, sagt Imholz, „ich bin noch lange nicht mit meiner Arbeit fertig.“

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