Eine Frage des Gleichgewichts

3.10.2010, 10:15 Uhr
Eine Frage des  Gleichgewichts

© Hans-Joachim Winckler

Es ist ein furioses, sinnliches, haptisch überragendes Spiel mit Balance, mit Schwerpunkten und physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die für alle gelten, nur, so scheint es, für Meide Büdel nicht. Man meint, in Thomas und Kerstin Foersters verwunschenem Garten sei Mister Copperfield unterwegs gewesen.

Da ruhen filigrane Stahlbögen auf Betonsockeln, im Gleichgewicht gehalten allein durch penibelst austarierte Lastenpunkte; da liegen elegant geschwungene Stahlbänder, fast 400 Kilogramm schwer, in einer Art Zwinge zwischen zwei Betonsockeln; eine Zwinge, deren Kraft einen der Sockel derart stabilisiert, bewirkt, dass die Installation völlige Stabilität hat. Ein Wunder der Statik.

Lauschiger Garten trifft auf technische Strenge: Die stille Kraft der Arbeiten Meide Büdels machen die aktuelle Foersterschau zum Höhepunkt des Fürther Kunstherbstes. Büdel, die aus Bad Mergentheim stammt und in ihrer Lebensmitte Nürnberg einer der profiliertesten Protagonisten der Kunst im öffentlichen Raum ist, dazu mehrfach preisgekrönt, bescherte den Fürthern 2008 die Innengestaltung des ersten Gotteshaus-Neubaus der Kleeblattstadt seit Jahrzehnten, Maria Magdalena beim Südstadtpark. In ihrer Fürther Schau, die heute eröffnet, will sie, „dass der Betrachter Sensibilität für den plastischen Körper bekommt“. Sensibilität ist das Stichwort, denn Büdels Installationen funktionieren nicht als Ergebnis komplexer mathematisch-physikalischer Berechnungen, sondern allein durch die Mischung aus Gefühl und Erfahrung. Unfassbar, aber wahr. Und: Anfassen und vorsichtiges Nachprüfen sind erlaubt. Die Stahlbögen, die nur ein pfeilspitzengroßes Metallstück auf ihren Sockeln trägt, man kann sie antippen, anschubsen — sie bleiben stehen.

Auf einer weißen Plattform: Bogen auf Stange. Hält ebenfalls. Der Herbstregen wird den Stahl zum Rosten bringen und durch Löcher bodenwärts tropfen, der Wind wird den Bogen drehen. So wird die Plattform im Lauf der Wochen rostrot eingefärbt. Bis Dezember entsteht auf diese Weise ein Natur-Produkt als work in process, dessen Entwicklungsschritte Büdel fotografisch dokumentieren möchte.

Auch den Zeichnungen drinnen mag sie keine Titel geben, auch nicht den gedrehten Furnierhölzern, die allein durch winzige Haltepunkte an der Wand — ja, was? Hängen bleiben? Schweben bleiben? Der Betrachter, sagt Meide Büdel, soll frei assoziieren dürfen. Was er aber muss, ist: still staunen.

„Das Eine und das Andere“: Galerie in der Foerstermühle (Würzburger Straße 3). Montags bis donnerstags 9-17 Uhr, freitags 9-14 Uhr. Bis 10. Dezember.