Erzieher gesucht

5.6.2012, 19:00 Uhr
Erzieher gesucht

© dpa

 

Frau Siefert, Sie sind zuständig für die städtischen Krippen, Kindergärten und Horte — insgesamt 22 Einrichtungen. Mit welchen Gefühlen beobachten Sie den Krippenausbau?

Josefine Siefert: Der Fachkräftemangel macht mir große Sorgen. Es ist jetzt schon schwierig, Stellen schnell und gut zu besetzen. Nürnberg, Erlangen und Fürth liegen nah beieinander und überall ist der Personalbedarf groß. Dazu kommen die Kommunen im Landkreis, die auch sehr aktiv sind beim Krippenausbau, so dass das Angebot an Fachkräften schon spürbar knapp geworden ist. Vor eineinhalb Jahren standen 50 bis 60 Namen von Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen, die eine Stelle suchen, auf meiner Vormerkliste. Jetzt herrscht da gähnende Leere.

Wie oft sind Sie auf der Suche nach Personal?

Erzieher gesucht

Siefert: Oft. In dem Beruf gibt es eine hohe Fluktuation: In den städtischen Einrichtungen arbeiten 200 Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen und fast jeden Monat müssen wir eine Stelle neu besetzen. Es gibt die jungen Kolleginnen, die selbst Kinder bekommen. Und die, die in den Ruhestand gehen; das wird demnächst eine richtige Welle sein. Und dann wechseln jetzt auch viele zu einem anderen Träger, der näher am Wohnort ist. Zurzeit haben sie ja quasi die freie Wahl. Vor allem Stellen, wo jemand wegen einer längeren Erkrankung drei bis vier Monate ausfällt, können wir kaum besetzen. Bei uns bekommen jetzt auch Berufseinsteiger gleich unbefristete Verträge. Befristete würden die meisten dankend ablehnen.

Das heißt, die Erzieherinnen fehlen nicht nur in den Krippen?

Siefert: Nein, überall. Es verteilt sich auf alle Einrichtungstypen, weil manche in die Krippen abwandern.

Die Bundesfamilienministerin hat vorgeschlagen, dass Arbeitslose umgeschult werden und die Lücke füllen könnten. Was halten Sie davon?

Siefert: Da krieg’ ich ganz große Bauchschmerzen. Sie hat wohl an Menschen gedacht, die Lehrkräfte sind oder ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit tätig waren. Solche Kräfte können das Personal unterstützen, wie die Bufdis. Aber ich kann sie nicht als Fachkräfte einsetzen.

Die Ausbildung zur Erzieherin dauert fünf Jahre. Ist die Länge nötig?

Siefert: Ich denke schon. Die Erziehung von Kindern ist eine sehr sensible, anspruchsvolle Tätigkeit. Und für die unter Dreijährigen braucht man noch einmal eine besondere Qualifikation. Wir stellen fest, dass sich die Schulen leider noch nicht so sehr darauf eingestellt haben.

Was ist die Herausforderung in den Krippen?

Siefert: Man muss auf der einen Seite mit den Eltern gut umgehen können. Man muss verstehen, dass sie sich lösen müssen, und sie beraten, damit sie weder zu besorgt noch zu sorglos mit dem Nachwuchs umgehen. Und man muss bei den Kindern genau hinsehen und erkennen, ob sie sich normal entwickeln oder ob Förderbedarf besteht. Es reicht nicht, wenn einer Dutzi-Dutzi macht.

Viele finden, dass diese anspruchsvolle Tätigkeit nicht gut bezahlt wird.

Siefert: Das spielt bei der Berufswahl sicher eine Rolle. Aber ich denke, das, was die jungen Menschen abschreckt, sind die stressigen Arbeitsbedingungen. Die Anforderungen sind gestiegen. Es muss der Bildungs- und Erziehungsplan umgesetzt werden, ein Elterngespräch pro Jahr stattfinden, Entwicklungsbögen müssen geführt werden... Das sind viele Dinge, die notwendig und gut sind, aber dafür haben wir keine zusätzliche Zeit bekommen. Auch an der Gruppenstärke oder den Räumlichkeiten ändert sich nichts. Ich höre oft, dass Erzieherinnen sagen: Ich bin frustriert, weil ich nicht mehr gut arbeiten kann. Das spricht sich ’rum. Und der Stress macht krank: Ich bin seit 22 Jahren bei der Stadt und habe einen so großen Krankenstand wie nie zuvor. Vor allem die Fälle von Überlastung und Burnout haben zugenommen.

Wie geht es weiter?

Siefert: Die Träger müssen sich überlegen, wie sie den Arbeitsplatz wieder attraktiver gestalten. Was die Familienministerin mit dem Zehn-Punkte-Programm vorschlägt, wird allerdings wohl das Gegenteil bewirken, befürchte ich: Die Gruppen sollen größer und die Standards runtergeschraubt werden, die Ausbildung soll im Schnellverfahren stattfinden.

 

3 Kommentare