Fall Jakob: Fürths OB bedauert Zahlungen an Alt-Nazi

22.5.2019, 11:00 Uhr
Fall Jakob: Fürths OB bedauert Zahlungen an Alt-Nazi

© Stadtarchiv Torun

Eine der "schlimmsten Gestalten in Fürths Geschichte", schimpft Hans-Stefan Schuber, das sei Nazi-Oberbürgermeister Franz Jakob. Schuber, ein Gewerkschafter durch und durch sowie ehemaliger Personalratsvorsitzender der Stadt, hat viel über Jakobs Umtriebe im Rathaus gelesen und auch schon Stadtführungen zur NS-Zeit in Fürth angeboten.

Schuber weiß daher, wie Historiker über Jakob urteilen: Dieser habe seine Funktion genutzt, um gegen Juden und Andersdenkende vorzugehen. In der Pogromnacht 1938 verbot er der Feuerwehr, die brennende Synagoge zu löschen. Auf sein Konto gingen zudem etliche Sittlichkeitsverbrechen; nur weil er führendes NSDAP-Mitglied gewesen war, sei er nie im Zuchthaus gelandet.

Weil dieses Verhalten auch Parteifreunden aufstieß, wechselte Jakob 1939 in die von Nazi-Deutschland besetzte polnische Stadt Torun, wo er – ebenfalls als Oberbürgermeister – nahtlos an seine Schandtaten in Fürth angeknüpft haben soll.

Dass die Stadt Fürth in der Nachkriegszeit den nun in ärmlichen Verhältnissen nahe Ingolstadt lebenden Jakob mit regelmäßigen Zahlungen unterstützte, das will Schuber einfach nicht in den Kopf. Dafür verantwortlich zeichnete SPD-Oberbürgermeister Hans Bornkessel. Weil der Stadtrat die Hilfen für Jakob abgelehnt hatte, zahlte er das Geld an seinen Amtsvorgänger aus seinen persönlichen Verfügungsmitteln.

Wie berichtet, erhielt Jakob ab 1959 – nach seiner ersten Bitte um Unterstützung – bis zum Tod 1964 dreimal im Jahr Beträge zwischen 100 und 250 DM, und zwar zu Ostern, zur Fürther Kirchweih und zu Weihnachten. Das Geld – insgesamt 3750 Mark – kam in Scheinen mit der Post, stets versehen mit ein paar höflichen Worten. Hervor geht das aus Akten, die Mitarbeiter vor einigen Monaten im Stadtarchiv entdeckt hatten.

Als Kurt Scherzer (FDP) den Chefsessel im Rathaus von Bornkessel übernahm, setzte er die Zahlungen fort. Nach Jakobs Tod profitierte dessen Witwe, bis sie 1972 ebenfalls starb. An sie flossen in Summe 3650 Mark. "Das sind beileibe keine Peanuts", findet Schuber. Ihm zufolge betrug das Monatsgehalt eines städtischen Angestellten in den 50er Jahren rund 250 DM.

Nach einem ersten Bericht der Fürther Nachrichten hat sich inzwischen der Ältestenrat, ein zwölfköpfiges Stadtratsgremium, mit dem Thema auseinandergesetzt. Was dort besprochen wurde, blieb allerdings hinter verschlossenen Türen. Der Ältestenrat tagt stets nichtöffentlich. Warum die Geheimnistuerei?

"Nicht für möglich gehalten"

"Das Thema hätte tatsächlich keiner Geheimhaltung bedurft", räumt Oberbürgermeister Thomas Jung auf FN-Anfrage ein. "Das hätten wir genauso gut öffentlich besprechen können." Jung beteuert, es seien dabei keine weiteren Details ans Licht gekommen.

Jede einzelne Auszahlung an Jakob trage den üblichen grünen Stempel der Rechnungsprüfung. Formal hatte also alles seine Ordnung. Bleibt die moralische Komponente – und da hat Thomas Jung keinerlei Verständnis für seine Vorgänger: "Dass Leute wie Bornkessel und Scherzer einen von den Nazis installierten Oberbürgermeister unterstützten, das ist ein Vorgang, den ich nicht für möglich gehalten hätte." Ein solches Verständnis von Kollegialität mit dem Amtsvorgänger könne er nicht begreifen. "Das ist ein furchtbares Verhalten der damaligen Stadtverantwortlichen, das man nur zutiefst bedauern kann."

Folgen kann und wird das freilich keine haben. Alle Beteiligten sind längst verstorben, niemand ist mehr da, der die Frage beantworten könnte, was Hans Bornkessel, der selbst unter der NS-Diktatur zu leiden hatte, dazu veranlasste, Jakob Geld zu schicken. War es Solidarität mit einem Kollegen? Mitleid? Christliche Vergebung? "Aus heutiger Sicht", sagt Thomas Jung, "bleibt es ein rätselhafter Vorgang."

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