Fast so groß wie das Dorf: Protest gegen XXL-Gewächshaus

19.6.2020, 16:00 Uhr
Fast so groß wie das Dorf: Protest gegen XXL-Gewächshaus

© Foto: Thomas Scherer

Zum Pressetermin präsentieren Keidenzeller Bürger ihre Protestplakate an dem Acker, den die Bauherren als Standort für das Gewächshaus im XXL-Format ins Visier genommen haben. Mittlerweile hängen die Banner an den Gartenzäunen im Dorf: Nein zu einer Gemüsefabrik, zu 60.000 Quadratmeter unter Glas und Nein zur Zerstörung eines Naherholungsgebietes, ist darauf zu lesen.

Noch gibt es keine Bauvoranfrage für den Glasbau im Winkel von Deberndorfer Straße und dem Farrnbach-Abschnitt Richtung Traumsee, geschweige denn Pläne, nur ein Grobkonzept. Bei Langenzenns Bürgermeister Jürgen Habel sind die Bauherren in spe bereits vorstellig geworden. Mit Verantwortlichen im Landratsamt gab es eine Videokonferenz.

"Noch sind wir dabei, uns an das Projekt heranzutasten", sagt Peter Höfler, einer der drei erwachsenen Söhne, die mit ihren Eltern Elisabeth und Peter Höfler senior vom Gemüseanbau der GbR in Nürnberg-Schnepfenreuth leben.

Keine zwei Wochen, nachdem erste Informationen nach einem Ortstermin des Langenzenner Bauausschusses auf dem Höfler-Hof durchdrangen, hatten die Keidenzeller über 600 Unterschriften von Anliegern gesammelt, die gegen das Projekt sind. "Wir wollen diese Pläne im Keim ersticken", sagt Albert Goos, einer ihrer Wortführer. Einen Glasbau in dieser Größenordnung hält er für völlig unverhältnismäßig, zu massiv sei der Eingriff in die Natur und in das Landschaftsbild.

"Wir wollen kein zweites Knoblauchsland werden"

Auf einer Landkarte verdeutlichen seine Mitstreiter Jürgen Brunner und Stefan Jandl die Dimensionen: Eine Schablone, die die Fläche des Ackers abbildet, der da unter Glas verschwinden soll, bedeckt fast die ganze Bebauung des Dorfs. Das Konzept – regional erzeugtes Biogemüse, das CO2-neutral produziert werde, sei ja okay, meint Jandl, "nur der Platz, der ist der falsche". Und Goos denkt schon weiter: "Wir wollen kein zweites Knoblauchsland werden."

Noch gehört der Acker der Agrar Kompost GmbH, kurz AKG, die die Fläche an Höfler verkaufen würde und sich selbst "gigantische Synergieeffekte" von der Kooperation mit den Gemüsebauern verspricht, wie AKG-Geschäftsführer Johann Peter sagt. Die Wärmeversorgung für den überdachten Acker würde die AKG übernehmen. Sie kompostiert in Keidenzell Biomüll der Bürger sowie das Grüngut von den Wertstoffhöfen des Landkreises. In einer Biogasanlage werden außerdem Abfälle der Lebensmittelproduktion vergärt. Diese Energie beheizt bereits ein kleineres Treibhaus.

Um den Bedarf des Höfler-Gewächshauses zu decken, würde die AKG, hinter der zehn Landwirte stehen, ein Biomassekraftwerk bauen. Die Investitionssumme in Höhe von acht Millionen Euro bestätigt Peter. Allerdings würde das meiste Geld nicht in Gebäude, sondern in die Abluft-Reinigung der Verbrennung fließen.

"Der Plastikanteil wäre minimal"

Dass in dieser Anlage Plastikverunreinigungen aus Biomüll in großem Stil verbrannt würden, verweist Peter ins Reich der Gerüchte. Der Plastikanteil wäre minimal, hauptsächlich würde die "holzige Fraktion", die nicht kompostierbar ist, verheizt.

Bis dato müsse die AKG diese bis nach Frankfurt entsorgen, mit der eigenen Verbrennung spare sich das Unternehmen die teuren Transporte – und den Anliegern Schwerlastverkehr.

Zusätzlich soll auf zig Lkw-Touren verzichtet werden, weil die AKG mit der Wärme, die sommers im Gewächshaus nicht gebraucht wird, das zu 95 Prozent aus Wasser bestehende Gärsubstrat aus der Biogasanlage trocknen will. Das reduziere die Lkw-Fahrten im Ort. "Netto", so Peter, "wird der Verkehr nicht zunehmen" – selbst wenn während der Erntezeit von April bis Oktober vier bis zehn Laster pro Tag das Gewächshaus anfahren.

Perfekter Wertstoff-Kreislauf

Nicht zuletzt werde der produzierte Kompost gleich nebenan unter Glas gebraucht. Auch die Pflanzenreste aus dem Gewächshaus würde die AKG verarbeiten. Der entstandene Dünger käme dann wiederum dort zum Einsatz – ein Wertstoff-Kreislauf mit kurzen Wegen. "Wir entsprechen mit diesem Projekt eins zu eins den Forderungen, die wir uns seit Jahren anhören müssen", erklärt Peter Höfler. "Wir produzieren regional, klimaneutral und in Bioqualität." Auf dem bestehenden Betrieb baut Höfler Gemüse konventionell an.

Um das nötige Wasser zu gewinnen, soll jeder Regentropfen, der aufs Glasdach fällt, gesammelt werden. Dass die geringen Niederschlagsmengen nicht reichen könnten, ist den Höflers klar. Die Keidenzeller indes fürchten, der Gemüseanbau werde ihnen ihr Naherholungsgebiet trockenlegen.

Die Höflers hatten die Keidenzeller am Wochenende zur Besichtigung auf ihren Betrieb eingeladen. In einem Treibhaus, in dem sich Gurken- und Paprikastauden auf 100 bis 120 Meter Länge aneinanderreihen und an senkrecht gespannten Seilen 6,5 Meter hoch bis unters Dach schlängeln, erläuterten sie ihr Konzept.

"Sie sind nicht willkommen"

Doch auch bei dieser Gelegenheit machte Goos, der mit rund 20 Nachbarn gekommen war, klar: "Sie sind in Keidenzell nicht willkommen, wir werden uns mit aller Macht gegen ein Gewächshaus stemmen."

Allerdings erklärten auch AKG-Chef Peter und die Höflers, sie würden das Projekt "mit Nachdruck verfolgen, weil es einfach Sinn macht". Bei derart konträren Positionen einen Dialog zu führen, dürfte schwierig werden.

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