Faszinierender Loser im Rathaushof

3.8.2014, 15:45 Uhr
Faszinierender Loser im Rathaushof

© Foto: Joachim Sobczyk

Ehe das ganze miese Intrigentheater im Staate Dänemark losgeht, singt Freddie Mercury als Intro, was passieren wird: Another one bites the dust. Soll heißen: Noch einer kratzt ab. Und noch einer. Natürlich wird Freddie Recht behalten. Wie immer. Und wie üblich werden sich am Ende auf der Bühne die Toten stapeln. Hamlet halt. Shakespeares Vorzeigedrama ist ja nicht gerade die große Stunde der Diplomaten und Vermittler.

Was anders ist bei diesem Auftritt des Dänenprinzen im Dunstkreis des Fürther Rathauses, das ist die Geradlinigkeit, mit der Regisseur Markus Nondorf die alte Mär erzählt. Dabei beweist der Mann, der sich so leidenschaftlich dem Theater verschrieben hat wie sämtliche Shakespeare-Helden ihrem Tun, weise Zurückhaltung. Nondorf arbeitet sich nicht daran ab, was er nicht zur Verfügung stehen hat, sondern baut auf seine Aktivposten.

Statt also an der chronischen Knappheit der Mittel in der freien Theaterszene zu verzweifeln, hält er sich zum Beispiel gar nicht erst mit aufwändigen Ausstattungsdetails auf. Was wirklich wichtig ist, lässt er in den Köpfen der Zuschauer entstehen. Umso kraftvoller wirken dann die Finessen, die er sich leistet. Allen voran die schwarze Limousine, in der das dänische Königspaar vorfährt. Ein Gag. Ja, aber einer mit Hintersinn. (Und für Kenner so etwas wie die unverwechselbare Handschrift des Regisseurs: Kein Nondorf ohne Räder auf der Bühne.)

Anderes kommt diffiziler daher. Hamlets Vertraute öffnet zu Anfang kurz ihren Laptop. Fast scheint es, als klicke sie auf Start, damit ein programmiertes Spiel abläuft. Damit baut Nondorf einen Distanzhalter ein, der – wenn auch auf sehr zurückhaltende Art – die Manipulierbarkeit des Spiels andeutet.

Spannender Kontrast

Grundsätzlich gelingt es dieser Aufführung, einen äußerst spannungsreichen Kontrast zwischen Nähe und Abstand zu erzeugen. Der kleine Hof, die nahe Bühne, die Akteure, die in Greifweite scheinen – das alles nimmt die Zuschauer umgehend mit ins Boot. Trotzdem bricht der Regisseur immer wieder mit allzu viel trauter Illusion.

Das geschieht nicht zuletzt, indem er die Akteure relativ holzschnittartig auftreten lässt. Was eine gute Entscheidung ist, die diesem Drama auch angesichts der besonderen Open-Air- Situation wohl bekommt. Statt tiefenpsychologischer Analysen gibt es klar umrissene Persönlichkeiten, die so prompt einen gewissen Stellvertretercharakter gewinnen.

Mustergültig kommt die Inszenierung mit einem weiteren grundsätzlichen Thema der freien Szene zurecht: Die Mitwirkenden agieren auf durchaus unterschiedlichem Niveau. Auch hier zeigt sich, dass es tatsächlich möglich ist, diesen Punkt in ein Plus zu verwandeln. Erstaunlich genug, doch das Zusammenspiel des vielfältigen Ensembles gewinnt Reize aus der verschiedenartigen Herangehensweise und erreicht eine Homogenität, die nur aus intensivem Aufeinandereingehen wächst. Allen gemein ist die unübersehbare Hingabe an die Aufgabe.

Selbstverständlich lebt dieses Stück mit einem starken Hauptdarsteller. Karsten Kunde ist genau das. Ganz in Weiß bricht er nonchalant das traditionelle Bild des melancholischen Prinzen auf. Sein Hamlet ist ein kraftvoller Loser. Energisch wirft er sich in den vorgetäuschten Wahnsinn, ist entschlossen und – handelt doch falsch und allzu zögerlich. Kunde stellt eine durchdachte, stimmige und hervorragend eigenständige Version des Hamlet auf die Bühne.

Die elf Darsteller – nicht zu vergessen der Hund – teilen sämtliche Rollen unter sich auf. Tanja Busch, Verena Schmidt und Martha Unterhofer übernehmen dabei problemlos, was Shakespeare für Männer vorsah. Ein Switch, der funktioniert. Am schönsten in der Totengräberszene, in der Tanja Busch zur großen Form aufläuft.

Bis 17. August gibt es noch 14 Mal „Hamlet“ mit dem TKKG, jeweils ab 20 Uhr, im Rathaushof. Nicht zuletzt ist das eine fabelhafte Gelegenheit, Markus Nondorf als Geist über das nächtliche Rathaus spuken zu sehen.

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