Fette Beute für die Außerirdischen

28.7.2014, 20:03 Uhr
Fette Beute für die Außerirdischen

© Foto: ars vivendi

Das Klassenzimmer der 10 f des Bingen-Gymnasiums bot nicht allzu viele Vorteile, vor allem im Sommer, wenn es einer Sauna glich. Der Unterricht in H 12 wäre möglicherweise dennoch halbwegs erträglich gewesen ohne die dreiundzwanzig weiteren Standortnachteile des Raumes.

„Kömma nich mal was Interessantes machen?“

Friederike B., die Englischlehrerin der 10 f, drehte sich langsam von der Tafel zur Klasse um. Ein ominöses Schweigen folgte der Frage von Standortnachteil Nummer eins, der in der Klassenliste auch unter der Bezeichnung „Tobias“ geführt wurde.

Guilian, der entgegen weit verbreiteter Ansicht kein Idiot war, erschien am Freitag vorsichtshalber nicht in der Schule. Der Rest der Klasse war zumindest körperlich anwesend, als es zehn Minuten nach Stundenbeginn an der Tür klopfte.

„Gerade richtig“, murmelte „Ms B.“, wie die Zehntklässler sie nannten, mit einem bösen Grinsen, und ließ eine Reihe der seltsamsten Geschöpfe eintreten, die die Jugendlichen je erblickt hatten. Sie waren ziemlich klein, die länglichen Köpfe mit Antennen gekrönt, und nahezu nackt. Außerdem waren sie grün.

„What the fuck!“, rief Katja aus. Ihre Mitschülerinnen fanden diesen Gesprächsbeitrag – immerhin die ersten englischen Worte, die sie im Schuljahr benutzt hatte – erwähnenswert, doch Ms B schien er kaltzulassen.

„Ihr interessiert euch nicht mehr für die Schule“, erklärte ein Außerirdischer. „Deshalb hat eure Meisterin uns angeboten, euch an uns zu verkaufen. Die plutonische Landwirtschaft kann ein paar zusätzliche Hände immer brauchen.“ Also gar keine Marsmenschen, dachte Maria. Laut sagte sie: „Das können Sie nicht machen, Ms B. Das ist eine illegale Transsubstantiation!“

„Netter Versuch“, flüsterte William ihr zu. Manchmal ließ Friederike B. sich von Fremdwörtern beeindrucken, vor allem, wenn sie mehr als drei Silben hatten. Heute war das Gegenteil der Fall: Ihre Mundwinkel zuckten verärgert, und sie wandte sich an den Plutonier. »Können wir diesen Handel schnell zu Ende bringen?«

„Sie sehen geeignet aus, diese Erdlinge“, erwiderte der. „Nur, damit wir uns richtig verstehen: Diese Menschen, die Sie uns anbieten, sind Ihr Besitz?“ „Nein“, gestand sie. „Aber ich bin trotzdem bereit, sie zu verkaufen. Ich weiß, sie machen nicht viel her, wenn man sie im Klassenzimmer sieht, aber so schlecht sind sie gar nicht. Diese glasigen Augen, die stumpfen Blicke – alles Show. Sie können denken. Vielleicht werden sie sogar eines Tages nützliche Mitglieder der Gesellschaft.“

Der Plutonier wiegte seinen hohen Kopf. „Gut, wir können sie dann ja in ein paar Jahren wieder vorbeibringen“, meinte er. „In der Zwischenzeit – sollen wir Sie irgendwo absetzen, oder wollen Sie hier im Klassenzimmer warten, Sprachmeisterin?“

Gerhard F. wunderte sich über die Stille im Klassenzimmer, als er zwanzig Minuten später mit seinem Mathebuch vor der Tür stand, doch was „Ms B“ und die 10 f anging, so sollte es lange dauern, bis einer von ihnen je wieder in der Oberpfälzer Kleinstadt gesehen wurde. Auch wenn Friederike B., als sie die Plutonier gebeten hatte, sie bei den Pyramiden abzusetzen, eigentlich nicht an die Schönklinik an der Südwesttangente gedacht hatte. Immerhin gibt es in Fürth auch Schulen, tröstete sie sich. Vielleicht hatte sie ja diesmal mehr Glück.

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