Finanzspritze: Fürther Kulturszene reagiert zurückhaltend

19.5.2020, 06:00 Uhr
Finanzspritze: Fürther Kulturszene reagiert zurückhaltend

© Archivfoto: Thomas Scherer

Mit 200 Millionen Euro stärkt der Freistaat die gebeutelte Kultur - so weit, so gut. Der weiß-blaue Neustart geht jedoch in langsameren Schritten vonstatten als in anderen Bundesländern. Und wenn was geht, dann keinesfalls vor Pfingsten.

Klar ist immerhin seit vergangenem Donnerstag: Kinos, kleinere und mittlere Spielstätten sollen Starthilfen bekommen, in Theatern soll der Probenbetrieb nach Pfingsten wieder möglich sein. Das Gesamtpaket bleibt allerdings trotz schmucker Schleife undurchsichtig - vorerst.

"Es war spät, aber richtig, dass Söder die Kultur als systemrelevant bezeichnet hat", sagt Gerti Köhn, Leiterin des Fürther Kulturamts. Elf Prozent der Wirtschaftsleistung der Stadt mache die Kultur aus. Trotz aller warmen Worte aus München sei allerdings nicht zu leugnen, dass die schon vor wenigen Wochen versprochene Soforthilfe für soloselbstständige Künstlerinnen und Künstler - vereinfacht formuliert: drei Monats-Stützen à 1000 Euro - noch immer nicht angekommen sei. "Außerdem", so Köhn, "möchten wir gern wissen, wie es konkret weiter geht mit Groß- und Open-Air-Veranstaltungen." Erst Ende Mai soll es Aussagen geben, inwieweit und in welcher Form etwa das nächste Fürther "Lesen!"-Literaturfestival (25. Juni bis 5. Juli) stattfinden kann.

Aufatmen im Stadttheater, dort hatte das Team um Intendant Werner Müller auf einen Probenstart am 1. September gehofft, damit im Oktober die ersten hauseigenen Produktionen durch die neue Spielzeit rollen können. Die jüngsten Söder-Verlautbarungen machen nun genau dies möglich. "Im Moment arbeiten wir an der Erstellung von Hygienekonzepten und Plänen zur Einhaltung der Abstandsregeln", so Theater-Sprecher Christof Goger.

Nach Pfingsten, so führte Kunstminister Bernd Sibler aus, sollen kleinere Open-Air-Veranstaltungen wieder möglich sein. Was das genau heißt, wüsste Köhn mit Blick auf Teile des "Lesen!"-Programms ebenso gern wie Babylon-Chef Christian Ilg. "Ich brauche rund 40 Open-Airs in diesem Sommer, damit wir es schaffen bis in den Herbst. Dann könnten wir vielleicht sagen, wir haben die Krise mit zwei blauen Augen überwunden."

Äußerst turbulente Wochen liegen hinter dem Kino in der Nürnberger Straße, das auch Konzert- und Kleinkunstbühne sowie Gastro-Standort ist. Dank Crowdfunding und der - inzwischen abgeschlossenen - sehr erfolgreich verlaufenen "1000x25 Euro"-Gutschein-Aktion hat das Haus ein wenig Wasser unterm Kiel bekommen. Zwölf Millionen Euro Starthilfe sollen nun an Bayerns Kinos gehen. "Super", sagt Ilg; noch toller wäre allerdings ein Starttermin, an dem man sich orientieren könne. "Ich brauche keine Öffnung gleich morgen. Aber sagt man mir, im Herbst könnte es wieder losgehen mit zehn Zuschauern pro Film, dann hätte ich wenigstens etwas in der Hand." Die Ansage müsse aber "weit vor dem Herbst" erfolgen. Vorschnell zu öffnen sei schon deshalb sinnlos, "weil man derzeit gar keine Filme kriegt, aber 1000 Euro für Desinfektionsmittel ausgeben muss".

Da das Babylon mehrere Standbeine hat, könnte die in dieser Woche erlaubte Öffnung der Biergärten eine erfreuliche Nachricht sein - eigentlich. Doch das Café Rodelbahn bleibt bis auf Weiteres geschlossen. An den Bierbänken haben normalerweise 60 Personen Platz. Mit den Corona-Abstandsregeln sind es gerade noch 14. Und die dürfen nur bis 20 Uhr bleiben. Nach jedem Gast muss ein Mitarbeiter zudem zur Desinfektion schreiten. Ilg: "Das alles bedeutet einen Aufwand, der mein Minus vergrößert, und zwar kräftig." Umso größer ist aktuell die Hoffnung, dass die Freilichtbühne als sommerlicher Open-Air-Kinoort bespielbar ist. Mit Abstand natürlich. Das könnte was werden. Doch Genaueres ist zur Stunde noch nicht bekannt.

Apropos Open-Air: Die Aussage, derzufolge kleinere Veranstaltungen im Freien nach Pfingsten möglich seien, tangiert das Stadttheater nicht. Das Sparda-Bank Classic Night am 4. Juli im Stadtpark sei bereits, so Goger, abgesagt und auch unter den neuen Regelungen nicht durchführbar, da es sich - mit jährlich rund 7000 Zuhörern - um eine Großveranstaltung handle.

"Übliches Politiker-Blabla": Udo Martins Meinung zu Söders Kultur-Statement ist kurz und deutlich. Ende April hat die von Martin geleitete Kofferfabrik endlich die lang ersehnte Soforthilfe überwiesen bekommen. Doch ob die Kofferfabrik nun Konzerte veranstalten kann und zu welchen Bedingungen, ist weiterhin völlig offen. "Ich weiß nicht, ob der Ministerpräsident glaubt, dass die Musiker aus aller Welt schnell mal ins Flugzeug springen, um dann in der Koffer vor ein paar Zuschauern zu spielen." Crowdfunding und Soforthilfe ermöglichen es der Subkulturmanufaktur in der Langen Straße aktuell zumindest, bis Ende Juli über die Runden zu kommen. "Aber was ist ab Herbst? Ich kann nichts planen, nur hoffen."

"Noch wissen wir gar nichts", verlautet, mit kaum weniger Ratlosigkeit, aus der Comödie. Volker Heißmann: "Wir sollen uns gedulden, heißt es." Eine nicht ganz unbekannte Übung für die Kulturszene seit vielen, sehr vielen Wochen.

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