Flüchtlinge dürfen einkaufen, aber ohne Geld

20.11.2012, 09:00 Uhr
Flüchtlinge dürfen einkaufen, aber ohne Geld

© dpa

Essenspakete. Franz Ganster ertappt sich selbst dabei, dass er noch immer von „Essenspaketen“ spricht. Der Flüchtlingsbetreuer der Caritas in Fürth ist damit nicht alleine. Auch Landes-Caritasdirektor Bernhard Piendl hat kürzlich wieder einmal bemängelt, dass es nicht menschenwürdig sei, die Flüchtlinge mit Essenspaketen zu versorgen.

Dabei sind diese, streng genommen, längst abgeschafft. Früher wurden den Menschen in Gansters Obhut tatsächlich regelmäßig Kartons geliefert, die randvoll waren mit Nahrungsmitteln, in denen freilich auch manche Überraschung steckte. Es gab zwar spezielle Schwangeren-, Kinder- oder auch Moslem-Kartons (mit Corned Beef, ohne Schinken vom Schwein). Trotzdem kam es vor, sagt der Sozialarbeiter, „dass eine achtköpfige Familie auf einen Schlag acht Liter Speiseöl bekam“. Ratlosigkeit löste insbesondere bei Menschen aus Nah- und Fernost auch tiefgekühlter Rosenkohl aus. „Ich hab’ richtige Einführungskurse gegeben, um den Leuten zu erklären, wie man den zubereitet.“

Hilfsorganisationen und Bayerischer Flüchtlingsrat übten immer wieder Kritik. Die Essenspakete, monierten sie, gingen an den Bedürfnissen der Asylbewerber vorbei. Die Betroffenen selbst protestierten. Dann stellte Bayern um: von den einheitlichen grauen Essenspaketen auf ein Bestellsystem, das eine „kultursensible“ und individuelle Zusammenstellung von Lebensmitteln ermöglichen sollte (wir berichteten).

Seit Januar 2007 gibt es in Mittelfranken Listen, auf denen die Flüchtlinge zweimal pro Woche in begrenztem Rahmen ankreuzen dürfen, wovon sie sich ernähren möchten. Zwei Kreuzchen etwa sind erlaubt in der Rubrik Fleisch/Fisch/Fertiggerichte. Zur Auswahl stehen: Hähnchen (tiefgekühlt, 500 Gramm), Rind-, Puten- und Schweinefleisch bzw. Fischfilet (je 200 Gramm, alles tief gekühlt) sowie Hühnerfleischeintopf und vegetarischer Bohneneintopf.

Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber, die aus humanitären Gründen geduldet sind, nehmen nicht selten über Jahre nur das zu sich, was sie via Liste ordern und was zurzeit von einer Firma aus Schwäbisch Gmünd geliefert wird. Ein Problem dabei formuliert Ganster so: „Möchten Sie jahrelang nur Tiefkühl-Fleisch essen?“ Für den Flüchtlingsbetreuer war die Umstellung auf die Liste „ein Schritt in die richtige Richtung“, mehr nicht. Denn geändert habe sich wenig. Auch mit diesem System, so bemängelt er, schreibe der Staat den Menschen vor, was sie zu essen hätten. Und das sei nichts anderes als eine Entmündigung: „Was spricht denn dagegen, den Menschen Geld in die Hand zu geben? Wenn sie damit nicht klarkommen, ist das doch ihr Problem.“

Bargeld bleibt Ausnahme

133 Euro bekommen Flüchtlinge in Gansters Obhut, die beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen von der Sachversorgung befreit sind. Doch das soll die Ausnahme bleiben, auch wenn die Regierung von Mittelfranken nun ihr „Shop-System“ einführt. In größeren Gemeinschaftsunterkünften wird dann, so Regierungssprecherin Ruth Kronau-Neef, ein Ausgaberaum eingerichtet, wo die Leistungsberechtigten zweimal pro Woche Nahrungsmittel und Getränke einkaufen können — nach einem Punktesystem, nicht mit Bargeld. In kleineren Unterkünften werden die Waren direkt am Lkw abgegeben.

Die geplante Umstellung begründet Kronau-Neef damit, dass der gegenwärtig „hohe zeitliche Aufwand“ für das Einsammeln der Bestelllisten künftig wegfalle. Ferner könnten die Flüchtlinge ihren Speiseplan dann aktuell zusammenstellen. Zurzeit müssen sie heute wissen, was sie in 14 Tagen essen wollen. Das Shop-System soll laut Kronau-Neef nur in Mittelfranken erprobt werden. Danach entscheide jede andere Bezirksregierung in Bayern, ob sie nachziehen will.

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