Frankens Ärzte prangern katastrophales Corona-Krisenmanagement an

9.3.2020, 06:00 Uhr
Die Ärzte in der Region beklagen das Krisenmanagement der Regierung.

© Wang Hai/Wire/dpa Die Ärzte in der Region beklagen das Krisenmanagement der Regierung.

Der Erlanger Notfallmediziner Dr. Falk Stirat hat dieser Tage ein seiner Ansicht nach katastrophales Corona-Krisenmanagement angeprangert. Er spricht von "Behördenversagen", kritisiert deren Informationspolitik gegenüber Ärzten und medizinischem Personal. Das Gesundheitsamt verweise ihn und seine Kollegen an Amazon oder örtliche Baumärkte, wenn man sich nach Schutzausrüstung erkundige. Der Fürther Allgemeinarzt und Ärztesprecher Dr. Franz Jobst ("Wir werden völlig allein gelassen") hat sich ebenfalls schon darüber empört, "dass die Behörden so tun, als ob sie alles im Griff hätten". Den Eindruck teilt der Nürnberger Kinderarzt und Lungenexperte Dr. Michael Kandler.

Der Vorsitzende des Paednetzes Mittelfranken, zu dem sich Kinder- und Jugendärzte zusammengetan haben, beklagt, es fehle "jede Unterstützung für die Haus- und Kinderärzte seitens der Regierung". Die Gesundheitsminister Melanie Huml und Jens Spahn träfen "Falschaussagen", wenn sie sagten, Praxen und Kliniken seien vorbereitet. Allein das Vorhalten von Schutzkleidung, die ja ein Verfallsdatum trage, so Kandler, sei für eine niedergelassene Praxis "nicht zu stemmen".



In seiner Praxis darf zurzeit nur je ein Patient ins Wartezimmer. Kandler: "Aber das halte ich nicht lang durch, sonst bin ich pleite."

Erkrankte mit Symptomen wie Fieber, Heiserkeit, Husten und Atemnot sollten sich zur Abklärung im ersten Schritt an den Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) wenden, Telefon 116 117. Zur Entlastung der Praxen habe man, so KVB-Sprecher Axel Heise, den Ärzte-Pool aufgestockt, der den Hausbesuchsdienst bestreitet.

Anders als sonst gebe es diesen Service zurzeit auch rund um die Uhr. Wird ein Test als nötig erachtet, werde eines von nun bayernweit 160 Fahrzeugen mit Arzt und Schutzausrüstung geschickt. Aber: "Wir müssen da ganz klar filtern."

Der Fahrdienst kommt laut Heise nur im begründeten Verdachtsfall. Die Nachfrage sei groß, auch müssten Anrufer mit Wartezeiten rechnen.

Während die Zahl der Covid-19-Erkrankungen beispielsweise in Nürnberg auf acht (Stand Freitag) gestiegen ist, gibt es nach Auskunft aus dem Landratsamt, wo das Staatliche Gesundheitsamt angesiedelt ist, bisher keine bestätigten Krankheitsfälle in Stadt und Landkreis Fürth.

Mehr oder weniger einschneidende Folgen hat die Epidemie indes auch hier. Das Spektrum reicht von häuslicher Quarantäne, Hamsterkäufen, Auftrags- und Umsatzeinbußen in der Wirtschaft bis zu Ausfällen zum Kulturbetrieb.


Wegen Corona: Koalition erwägt frühere Soli-Abschaffung und mehr Kurzarbeit


So findet das Internationale Klezmer Festival in Fürth zwar statt. Konzerte israelischer Musiker aber wurden wegen der neuen Einreisebestimmungen des Landes gestrichen. Die Künstler müssten sich bei ihrer Rückkehr 14 Tage in Quarantäne begeben.

Das gilt auch für deutsche Touristen. Eine zehntägige Pilgerreise des katholischen Dekanats Fürth fällt deshalb ins Wasser. Dekan André Hermany wollte mit 32 Personen ins Gelobte Land fliegen. Doch die Gruppe lässt das nun.

Kein Klingelbeutel, kein Kelch

Firmen und Organisationen legen ihren Beschäftigten und Mitgliedern Vorsichtsmaßnahmen gegen eine Corona-Infektion ans Herz. Die Evangelische Landeskirche etwa mahnt, das Herumreichen des Klingelbeutels in Gottesdiensten könne ein Infektionsrisiko darstellen. Und sie rät, beim Abendmahl auf das Herumreichen des Kelchs zu verzichten.

Kinderarzt und -pneumologe Kandler hält wenig davon, Einzelfälle von Erkrankungen "zu jagen" und Kontaktpersonen "mit hohem personellen Aufwand der Gesundheitsämter" zu identifizieren. Das erinnere ihn an "das Einfangen von Regentropfen". Das Paednetz habe Ministerin Huml stattdessen um eine vorübergehende Schließung aller Schulen gebeten. Der Vorstoß lief ins Leere.

Verwandte Themen