Fürth will Schulschwänzer-Karrieren verhindern

28.3.2019, 11:00 Uhr
Um Schulschwänzer-Karrieren zu verhindern, wollen die städtische Jugendhilfe und das Bildungsbüro zusammen mit dem Staatlischen Schulamt ein Modellprojekt "L.I.F.T" starten.

© Jens Kalaene/dpa Um Schulschwänzer-Karrieren zu verhindern, wollen die städtische Jugendhilfe und das Bildungsbüro zusammen mit dem Staatlischen Schulamt ein Modellprojekt "L.I.F.T" starten.

Man muss dem Unterricht noch nicht mal fernbleiben, um ihn zu versäumen. Von "passiven Schulverweigerern" sprechen Experten wie Veit Bronnenmeyer, Leiter des städtischen Bildungsbüros, wenn Schüler zwar "körperlich anwesend" sind, ihre Stunden aber lediglich absitzen, ohne mitzuarbeiten, ohne etwas aufzunehmen.

Daneben gibt es die "aktiven Schulverweigerer", die regelmäßig fehlen. Die Statistik des Jugendärztlichen Dienstes deutet darauf hin, dass ihre Zahl in Fürth steigt: Immer mehr Schüler werden verpflichtet, schulärztliche Atteste vorzulegen, wenn sie zuhause bleiben. Im Schuljahr 2011/12 zählte die Stelle 30 bis 40 Kontakte zu Schülern, 2016/17 waren es 399 Kontakte (verteilt auf 143 Schüler). Im Schuljahr 2017/18 gab es schon 168 Schüler in Fürth mit schulärztlicher Attestpflicht. Das geht aus den Unterlagen für das Modellprojekt "L.I.F.T." hervor, in das die Stadt Fürth große Hoffnungen setzt. Kürzlich hat sich der Schulausschuss damit befasst, heute ist das Vorhaben Thema im Jugendhilfeausschuss.

Wie Bronnenmeyer schildert, zeigen sich in den Schulen bei immer jüngeren Kindern Anzeichen dafür, dass sie auf einen ungünstigen Lebensweg geraten. Schon in der Grundschule und in der anschließenden Unterstufe erleben Lehrer verschiedene Formen der Schulverweigerung. Aus diesen Schülern werden oft Kunden der Jugendhilfe oder später des Jobcenters.

Beim dreijährigen Modellprojekt "L.I.F.T." wollen Stadt und Staatliches Schulamt eng kooperieren und früh eingreifen, um die Abwärtsspirale zu stoppen. Ansetzen will man bei Kindern der fünften und sechsten Klassen, bei denen man "Sozialhilfekarrieren" befürchtet, wie Schulreferent Markus Braun sagt. Die Hilfe soll zu einem Zeitpunkt kommen, an dem "noch etwas zu machen ist", so Bronnenmeyer. Und nicht erst, wenn am Ende der Schulzeit eine berufliche Integration schon schwierig erscheint.

Betreut werden sollen zwölf Schüler im Jahr. Sie werden für das Projekt stundenweise aus ihren Klassen herausgenommen. Die Stadt will dafür eine sozialpädagogische Vollzeitstelle finanzieren, wenn möglich mit Hilfe von Fördermitteln. Braun rechnet mit Kosten in Höhe von bis zu 75 000 Euro im Jahr. Das Staatliche Schulamt übernimmt seinerseits die Kosten für eine Vollzeit-Lehrkraft sowie zwei Stunden schulpsychologischer Tätigkeit pro Woche.

Intensives Coaching

Gemeinsam leisten die Fachkräfte eine Art intensives Coaching, wie es den bestehenden Hilfsangeboten – von der Erziehungsberatungsstelle bis zur Jugendsozialarbeit – schlichtweg nicht möglich sei. Sie sollen mit den Kindern einzeln arbeiten, sie auch mal im Unterricht begleiten, Wissenslücken in Förderstunden stopfen. Die Familien sollen ebenfalls eingebunden werden, zudem sollen die Mädchen und Jungen bei werkstatt- und erlebnispädagogischen Angeboten gestärkt werden.

Fürth gebe Millionensummen für ambulante und stationäre Erziehungshilfen aus, sagt Schulreferent Braun. Vielleicht könne ein präventiver Ansatz mit hohem personellen Aufwand spätere Problemlagen verringern. Man werde auf jeden Fall evaluieren, ob "L.I.F.T." Wirkung zeigt.

Voraussichtlich soll es für alle Schulen offen sein. Vorbild war das Augsburger Modell "SchulFit". Wenn Kinder nicht mitarbeiten oder den Unterricht stören, denke man schnell daran, sie in eine spezielle Klasse auszusondern, so Bronnenmeyer. Das Augsburger Projekt aber zeige, dass es sinnvoll sei, sie im Klassenverband zu belassen.

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