Fürther Ärzte: Grippe-Impfstoff reicht nicht für alle

8.11.2020, 10:00 Uhr
Fürther Ärzte: Grippe-Impfstoff reicht nicht für alle

© Martin Schutt/dpa

Der Blick auf die bevorstehende Grippesaison gleicht dem Blick in die Glaskugel. Aber Prof. Dr. Harald Dormann, Leiter der Zentralen Notaufnahme am Fürther Klinikum, sieht durchaus Anzeichen dafür, dass die Influenza-Welle in Corona-Zeiten schwächer ausfällt als sonst: zum einen wegen des ausbleibenden internationalen Reiseverkehrs, der sonst Grippefälle hierzulande nach sich zieht, zum anderen wegen der Maskenpflicht und der Abstandsregeln, die vor Infektionserkrankungen schützen. Trotzdem: "Man kann nur spekulieren, ob es zu einer signifikanten Welle kommt", sagt Dormann.

"Extreme Hilfsbereitschaft"

Klar zu beobachten ist derweil, dass wieder mehr Corona-Infektionen im Klinikum behandelt werden müssen. Stand Freitagmittag wurden 24 Covid-Patienten auf der normalen Station und sechs intensivmedizinisch versorgt. Ab Montag werden die Kapazitäten deutlich erhöht, eine zweite Covid-Abteilung nimmt den Betrieb auf: Dann werden bis zu 45 Betten für Infizierte auf der normalen Station und zehn auf der Intensivstation zur Verfügung stehen.

Fürther Ärzte: Grippe-Impfstoff reicht nicht für alle

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Sollte es trotzdem zu Engpässen kommen, werden Patienten in umliegende Kliniken verlegt. "Es ist eine extreme Hilfsbereitschaft in der Pandemie da, obwohl die Häuser sonst im Wettbewerb zueinander stehen", sagt Dormann. Das Fürther Krankenhaus will auch während des Lockdowns alle Patienten weiterversorgen – freilich auch Menschen, die die Grippe schlimm erwischt.

Um die Mitarbeiter davor zu schützen, legt ihnen das Klinikum eine Grippe-Impfung nahe. 400 Dosen hat man bereits bekommen, auf weitere knapp 100 wartet man noch. Sie werden hauptsächlich für die Angestellten verwendet, nur in Ausnahmefällen für Patienten. Im Klinikum, so Dormann, kann der Bedarf für die Angestellten zurzeit noch gedeckt werden.


Grippe oder Corona? So kann man unterscheiden


26 Millionen Dosen wurden in Deutschland zur Verfügung gestellt, "und ich gehe nicht davon aus, dass ein Viertel der deutschen Bevölkerung Risikopatienten sind". Dass der Influenza-Impfstoff derzeit knapp wird, führt er eher auf eine falsche Verteilung als auf eine zu geringe Menge zurück. So geht er davon aus, dass sich viele Abnehmer "ein kleines Depot" angeschafft haben.

Die Sorge vor einem Mangel hält er deshalb für "künstlich hochdiskutiert". Denn: Die Impfbereitschaft gegen die Krankheit sei in den vergangenen Jahren nicht so hoch gewesen und nun lediglich etwas gestiegen.

Dennoch betont er, dass sich nur Risikopatienten immunisieren lassen sollten. Denn trotz Pandemie seien die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission die gleichen geblieben: So sollen sich insbesondere Personen ab 60 Jahren, Schwangere, Risikopatienten sowie Medizin- und Pflegepersonal behandeln lassen.

Allerdings hatten unter anderen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Gesundheitsministerin Melanie Huml zur Grippeschutzimpfung aufgerufen, um das Gesundheitssystem nicht mit dem Zusammenfallen von Pandemie und Grippe-Welle zu überlasten. Die Freie Ärzteschaft fordert nun von der Politik und den Krankenkassen, die "Bevölkerung über begrenzte Ressourcen" aufzuklären, heißt es in einer Pressemitteilung.

500 statt 300 Dosen

Der Fürther Allgemeinmediziner Dr. Franz Jobst, Vorsitzender des Ärztenetzes, bemerkt, dass die Vorräte zur Neige gehen. Er impft deshalb nur noch Personen, die unter einem erhöhten Krankheitsrisiko leiden. In den vergangenen Wochen hat er festgestellt, dass vermehrt Menschen dem Aufruf der Politik gefolgt waren, "die noch nie beim Impfen waren".

Immunisiert er sonst um die 300 Personen, sind es heuer schon um die 500. Für ihn ist der Mangel nicht wegzureden: Als "nahezu unerträglich" empfinde nicht nur er es, sondern auch seine Kollegen, "dass von den Gesundheitsministern immer gesagt wird, es sei genügend da. Aber das ist nicht so".

Noch vor vier Wochen hatte Jobst im Gespräch mit den FN geäußert, dass er jeden impft, der darauf besteht. Doch dann wurde die Nachfrage zu groß. Mehrfach täglich führten seine Mitarbeiterinnen an der Anmeldung inzwischen Diskussionen mit Patienten, denen sie die Impfung verweigern müssen. "Das ist eine echte Herausforderung für das gesamte Praxisteam."

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