Fürther Freiluft-Kür: SPD-Kandidat im Regen, Delegierte auf der Tribüne

17.10.2020, 18:09 Uhr
Fürther Freiluft-Kür: SPD-Kandidat im Regen, Delegierte auf der Tribüne

© Wolfgang Händel

Carsten Träger steht im Regen. Und das – obwohl es bei SPD-Politikern auch schon vorgekommen sein soll – nicht im übertragenen, sondern im Wortsinn. Der Mann, der sich nächstes Jahr erneut für die SPD um das Bundestags-Direktmandat bemühen will, hält seine Bewerbungsrede auf dem Rasen des ASV Fürth, tief im Fürther Süden.

Die 88 Delegierten aus dem Wahlkreis Fürth – er umfasst Stadt und Landkreis Fürth sowie den Landkreis Neustadt-Bad Windsheim –, die den einzigen Kandidaten später erwartungsgemäß deutlich mit 92 Prozent der Stimmen ins Rennen schicken werden, sitzen unterdessen wenigstens trocken.

Mit angemessenem Abstand zueinander harren sie weitgehend regungslos oben auf den fünf langen Sitzreihen der historisch-schmucken Holztribüne aus; sie lauschen, ausgerüstet mit Masken, dicken Jacken, Handschuhen, manche mit warmem Tee in der Kanne. Denn das Thermometer zeigt unwirtliche neun Grad, es nieselt beharrlich. Die Stimmung ist, nun ja, etwas unterkühlt.

Strikte Pandemie-Vorschriften

Das alles hat Träger, seit 2013 für den Wahlkreis Fürth im Bundestag vertreten, auch schon deutlich kuscheliger erlebt. Doch die Zwänge der Pandemie haben die Fürther Genossen auf die Idee mit dem Sportplatz gebracht. Hier ist man unter freiem Himmel und kann die strikten Vorschriften besser einhalten. Inklusive "regelmäßigem Lüften", wie Chef-Organisatorin Marlen Laurien launig verkündet.

Fürther Freiluft-Kür: SPD-Kandidat im Regen, Delegierte auf der Tribüne

© Edgar Pfrogner

Dass die Fürther Südstadt einst klassisches Arbeiterquartier war, mithin als SPD-Hochburg gelten durfte und zumindest bei Kommunalwahlen noch gilt – diese Symbolwirkung dürfte den Organisatoren nicht unwillkommen gewesen sein. Die Örtlichkeit atmet ein wenig von glorioser sozialdemokratischer Vergangenheit, an die man doch so gern wieder Anschluss gewinnen würde.

"Diese Geschichte hier, das hat was", sagt Träger, der studierte Politik- und Medienwissenschaftler, der früher in der Werbebranche gearbeitet hat, denn auch.

Doch die Zeiten heute sind andere, ganz andere. Die Sozialdemokraten stecken bundesweit im Umfragetief fest, aktuell würden gerade mal dürftige 15 bis 17 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Deutschland ihr Kreuzchen bei der Partei machen. Frustrierend, das wissen hier alle.

Doch Träger gibt sich zuversichtlich, ruft zum "Kampf um jede Stimme" auf. Gewählt werde erst in einem Jahr, die derzeitigen Umfragen seien nur eine Momentaufnahme. Sie "sehen uns deutlich unter Wert", glaubt der 46-Jährige, der 2018 zum umweltpolitischen Sprecher seiner Fraktion avancierte.

Denn viel erreicht habe die SPD in der Großen Koalition, "viel mehr, als man uns zugetraut hat", findet Träger. Er nennt den Mindestlohn, die Grundrente, die Rückkehr zur paritätischen Krankenversicherung. Und er ist überzeugt: Nur die Sozialdemokratie stehe für einen "starken Sozialstaat", für "Erneuerung, Zukunft, aber auch für Zusammenhalt und Solidarität".


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Denn der Wandel, ob in Umweltfragen oder bei der Digitalisierung, könne nur gelingen, "wenn wir ihn sozial gerecht gestalten". Ebenso übrigens wie der weitere Kampf gegen das Corona-Virus, bei dem man in Deutschland bisher nicht alles, aber doch viel richtig gemacht habe.

Gute Gründe, so Träger, für eine erstarkende SPD, die als erste Kraft die neue Regierung bildet – entweder in einer linken Mehrheit oder aber in einer Ampel-Koalition mit FDP und Grünen. Und mit Olaf Scholz als Kanzler, der die größte Erfahrung und die meiste Qualität für das Amt mitbringe.

Hauptsache, und daran lässt der Fürther Kandidat keinen Zweifel, nicht in einer Neuauflage der GroKo. Die könne er sich "nicht vorstellen", zu zäh gestalte sich das Ringen mit der Union, "Tag für Tag".


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Zunächst aber müssen Träger und die Seinen freilich darum kämpfen, dass er selbst wieder den Sprung ins Parlament schafft – mutmaßlich über die Liste. Zu stark ist sein CSU-Gegenkandidat, Ex-Minister Christian Schmidt, der seit langem auf den Gewinn des Fürther Direktmandats abonniert ist.

Bei der letzten Wahl, im Herbst 2017, war Träger schon einmal gestrauchelt: Schmidt holte sich wieder das Direktmandat, wegen des schlechten SPD-Ergebnisses reichte diesmal aber auch Trägers Listenplatz nicht, um wieder in den Bundestag einzuziehen. Zwei Monate später rückte er dann doch noch nach – weil einer seiner gewählten Parteifreunde überraschend verstorben war.

Auf dem Gelände des ASV Fürth ist es unterdessen Zeit für die Aussprache: Haben die Frauen und Männer auf der Tribüne noch Fragen an den Kandidaten? Haben sie nicht, niemand rührt sich, rasch werden die Stimmen abgegeben und gezählt.

Alle, darf man annehmen, wollen schnell heim ins Warme.

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