Rücktrittsangebot

Fürther Gläubige zollen Kardinal Marx Respekt

7.6.2021, 12:00 Uhr
Auch wenn viele Gemeinden – im Bild Christkönig in Fürth – sehr engagiert sind, so gehen doch immer mehr Menschen auf Distanz zur katholischen Kirche im Allgemeinen.

© Wolfgang Händel Auch wenn viele Gemeinden – im Bild Christkönig in Fürth – sehr engagiert sind, so gehen doch immer mehr Menschen auf Distanz zur katholischen Kirche im Allgemeinen.

Fürths Dekan André Hermany hat sich klar positioniert und beispielsweise gefordert, dass sich Amtsstrukturen ändern, auch Frauen künftig Weiheämter bekleiden dürfen und es Fortschritte in der Ökumene gibt. Eine Haltung, die viele Gläubige an der Kirchenbasis teilen.

Heinz Selgrath etwa, der lange Pfarrgemeinderat in St. Christophorus war und sich heute noch in der Kirchenverwaltung engagiert. Er stimmt Marx durchaus zu bei der Diagnose, dass die katholische Kirche an einem toten Punkt sei.

"Katastrophales Erscheinungsbild"

„Wenn ich sehe, wie viele Katholiken es in Fürth gibt und wie wenige davon in die Kirche kommen, dann muss ich sagen: In gewisser Weise hat Marx recht.“

Das Erscheinungsbild der Amtskirche sei derzeit katastrophal, gerade aufgrund des Missbrauchsskandals, der bislang nicht konsequent aufgearbeitet wurde. Rom würde in vieler Hinsicht mauern und als autoritär, abweisend, unmodern erlebt.


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Als Beispiele führt Selgrath nicht nur das Bremsen beim Synodalen Weg an, sondern auch die Zurückhaltung bei der Ökumene oder die Weigerung, Geschiedene beziehungsweise Wiederverheiratete zur Heiligen Kommunion zuzulassen.

Folge: Was viele Gemeindepfarrer mit Leidenschaft versuchten – Freude am Glauben zu wecken, zum Mitmachen zu begeistern –, werde durch die Amtskirche konterkariert. Sie sei zu weit weg von der Realität der Gläubigen.

Genau hier sieht auch Alexander Schusser, stellvertretender Pfarrgemeinderatsvorsitzender, ein zentrales Problem: „Die Kirche entfernt sich immer weiter von der Gesellschaft.“ Wie aber kann das Ruder herumgerissen werden? „Man muss natürlich alles aufarbeiten, was in der Vergangenheit passiert ist.“

Frauen in Weiheämter

Zudem müsse die Rolle der Frau an Bedeutung gewinnen, ähnlich wie es in der evangelischen Kirche schon lange der Fall sei. Auch am Zölibat sollte Rom nicht festhalten.

Für Schusser besonders ausschlaggebend: Bei den anstehenden Reformen sollte, auch wenn es schwerfalle, die Kirchenbasis breit miteinbezogen werden. Ähnlich sieht es Sepp Körbl, der nicht nur SPD-Fraktionsvorsitzender im Fürther Stadtrat ist, sondern auch gläubiger Katholik: „Wenn die katholische Kirche nicht noch mehr Mitglieder verlieren möchte, muss sie sich auf jeden Fall öffnen und von einigen, dogmatischen Positionen abrücken.“

Nur so sei jener Aufbruch möglich, von dem Marx, der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, spricht. Aber Körbl bringt auch Skepsis zum Ausdruck: „Dass Kardinal Marx, den ich für sehr integer halte, stellvertretend für andere Verantwortung übernimmt und seinen Rücktritt anbietet, ist ehrenwert. Ob es allerdings auch zielführend ist, ist eine andere Frage.“

Körbl befürchtet nämlich, dass die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals auch künftig nur schleppend vorangehe, dass also die Beharrungskräfte in der Amtskirche zu groß sind. „Zugleich hoffe ich natürlich, dass es anders kommt und der Rücktritt von Kardinal Marx Konsequenzen nach sich zieht. Dann wäre er nicht sinnlos.“


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Sollte der Papst das Rücktrittsgesuch annehmen, würden das viele Gläubige bedauern. Selgrath bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Wenn Marx wirklich geht, dann geht der falsche. Da sollten eher andere gehen.“ Im Umgang mit den Missbrauchsfällen war zuletzt ja insbesondere Rainer Maria Woelki, der Kölner Erzbischof, in die Kritik geraten.

Und auch FN-Leserin Ulla Guttenberger zollt Kardinal Marx in einem Leserbrief Respekt: „Hut ab vor dieser Entscheidung! Nur schade, dass es doch immer wieder die Falschen sind, die die richtigen Rückschlüsse und Konsequenzen ziehen.“

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