Fürther Stadtspitze streitet: Wie viel Lüften darf’s denn sein?

22.4.2021, 19:48 Uhr
Fenster auf oder teure technische Anlagen? Wie man in Schulen künftig lüftet, darüber gehen die Meinungen auseinander.

© Hans-Joachim Winckler Fenster auf oder teure technische Anlagen? Wie man in Schulen künftig lüftet, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Eigentlich durfte man in der Stadtratssitzung mit einem schnellen Abhaken rechnen, denn die Angelegenheit war unlängst schon ausgiebig und weitgehend einmütig erörtert worden. Dann aber entwickelte sich zum Tagesordnungspunkt "Mechanische oder natürliche Lüftung beim Neubau von Schulgebäuden" ein lebhafter Schlagabtausch – nicht etwa unter Stadträten, sondern unter den Vertretern der Stadtspitze.

Das hat vor versammeltem Stadtrat Seltenheits- – oder, wie Grünen-Sprecher Kamran Salimi süffisant anmerkte – Unterhaltungswert, denn in der Regel sind die Sitzungsthemen von den Verantwortlichen ausgiebig vorbesprochen.

In der städtischen Referentenriege zeigte man sich während der Ratssitzung am Mittwoch uneins.

In der städtischen Referentenriege zeigte man sich während der Ratssitzung am Mittwoch uneins. © Tim Händel

Diesmal aber brachte der OB selbst den Ball ins Rollen: Sicht- und hörbar unzufrieden zeigte er sich mit den hohen Kosten, die der Einbau von effektiver Lüftungstechnik bei den geplanten Neubauten und Sanierungen von Helene-Lange- und Heinrich-Schliemann-Gymnasium verursacht.

Nach Schätzungen sind dafür zusätzlich bis zu zehn Millionen Euro zu berappen, der städtische Bauausschuss hatte dennoch grünes Licht signalisiert. Als Baureferentin Christine Lippert nun in der Ratssitzung die – zuvor noch nicht bekannten – jährlichen Wartungs- und Stromkosten "grob geschätzt" auf weitere 40 000 bis 80 000 Euro bezifferte, platzte Thomas Jung der Kragen.


Aus Protest: Fürther Politikerin streift im Stadtrat den Schutzanzug über


Man dürfe doch Gebäude nicht "mit Stromfressern vollstopfen", die ganz erheblich zur Entwicklung von Treibhausgasen beitragen, befand der Rathauschef – und rief dadurch seinen engen Parteifreund, Stellvertreter und den für den Bereich Schule zuständigen Referenten Markus Braun auf den Plan.

Er habe, konterte Braun mit Seitenblick auf den Genossen Jung, "da leider eine etwas andere Einstellung", denn durch die Pandemie habe sich die Lage verändert: "Die Luftqualität ist jetzt von ganz anderer Dringlichkeit", mahnte Braun. Man müsse deshalb zumindest im Fall von neuen Schulen modernste Lüftungstechnik integrieren.

Nicht verzichtbar

Zur Seite sprang Braun neben Kamran Salimi auch Linken-Sprecher Niklas Haupt: Man wisse schließlich nicht, "ob das die letzte Pandemie ist", so Haupt, zudem sei dergleichen doch bei Neubauten inzwischen allgemein üblich – warum also nicht bei Schulen? Für "Augenmaß" beim Einsatz der Technik plädierte unterdessen Joachim Schmidt (CSU). Doch trotz der hohen Kosten werde man auf die Anlagen oft nicht verzichten können, meinte auch er.

Kämmerin Stefanie Ammon versuchte als Hüterin der kommunalen Finanzen, das Pendel noch einmal in die andere Richtung zu bewegen. Sie habe sich von ihrem Kollegen in Bamberg berichten lassen, dass die Wartung der Anlagen sehr zeitaufwendig und für die Steuerung "ein Ingenieur" nötig sei, dass dann aber trotzdem am Ende noch konventionelles Lüften bei geöffneten Fenstern nötig werde.


Inzidenz fast bei 300: Fürth ist unter den bundesweiten Hotspots


In Bamberg jedenfalls sei "niemand damit zufrieden", bilanzierte Ammon – ohne damit den gewünschten Effekt zu erzielen: Der Stadtrat sprach sich, wie schon der Bauausschuss, dafür aus, bei jedem Schulneubau den Einzelfall zu betrachten und das jeweils sinnvollste Konzept zu wählen. Helene-Lange- und Heinrich-Schliemann-Gymnasium sollen "Hybridlösungen" erhalten – also einen Mix aus mechanischer und natürlicher Lüftung.

Keine Kommentare