Fürths Jahrhundert-Kicker: Erinnerung an Charly Mai

27.7.2018, 12:14 Uhr
Fürths Jahrhundert-Kicker: Erinnerung an Charly Mai

© FN-Archiv

Das Schicksal meinte es zunächst nicht gut mit dem jungen Karl, der am 27. Juli 1928 in Fürth zur Welt gekommen war: Weil die Mutter ihn und seine drei Geschwister nicht alleine großziehen konnte, mussten sie ins Fürther Waisenhaus. Schuld hatten die Weltwirtschaftskrise von 1929 und vor allem der frühe Tod des Vaters.

Wie so viele Kinder damals findet Karl sein Glück vor allem beim Kicken. Mit 13 Jahre zieht es ihn zu einem Verein. Der nächstgelegene ist das Kleeblatt. So beginnt die Laufbahn des späteren Weltmeisters auf den Plätzen rund um den Ronhof. Doch der Krieg bremst den schmalen, aber konditionsstarken und begabten Jungen, der gerade eine Konditorlehre begonnen hat, jäh aus. 1944 muss er zum Wehrdienst einrücken, gerät in Gefangenschaft und kehrt erst 1946 zurück nach Fürth.

So mancher junge Fußballer ist durch die Erlebnisse im Krieg, durch Traumata oder Verletzungen, nicht mehr in der Lage, auf hohem Niveau Sport zu treiben. Charly Mai aber gelingt es, sich in kurzer Zeit wieder beim Kleeblatt einzugliedern. Zunächst in der Jugendmannschaft, dann in der Reserve fällt seine Begabung auf, als 16-Jähriger spielt Mai bereits zehn Mal für die SpVgg. In der Saison 1949/50, als das Kleeblatt Süddeutscher Meister wird und erst im Halbfinale der Deutschen Meisterschaft am VfB Stuttgart scheitert, gehören Mai und ein weiteres junges Kleeblatt-Eigengewächs, Herbert "Ertl" Erhard, zum erweiterten Kreis. Ab 1952 sind die beiden Talente Stammspieler.

Der technisch gute Fußball der SpVgg Fürth findet bei Bundestrainer Sepp Herberger Anklang. Im Oktober 1953 debütiert Mai beim Länderspiel gegen das zu dieser Zeit noch eigenständige Saarland in einem Qualifikationsspiel für die WM zusammen mit seinen Fürther Mannschaftskameraden Richard Gottinger und Erhard. Deutschland siegt 3:0. Mai und Erhard haben sich endgültig in die berühmten Notizbücher Herbergers gespielt und stehen im erweiterten Kader für die WM 1954 in der Schweiz.

Herberger weiß, dass die deutschen Spieler, die neben dem Fußball fast alle einen Beruf haben, gegen die Profis aus anderen Ländern oder die "Staatsamateure" aus dem Ostblock nur mithalten können, wenn sie dementsprechend vorbereitet werden. Karl Mai bezeichnete Herberger später als "guten Psychologen", der die Mannschaft sehr akribisch zusammenstellte und trainierte.

Bis zu vier Stunden am Tag müssen in der Sportschule Grünwald in München absolviert werden – ein Pensum, das die damaligen Oberliga-Amateure nicht gewohnt sind. Erhard und Mai, die beiden jungen Fürther, können das Tempo problemlos mitgehen – sie dürfen in die Schweiz mitfahren.

Fürths Jahrhundert-Kicker: Erinnerung an Charly Mai

Während der ein Jahr jüngere Erhard zu keinem Einsatz während der WM kommt, spielt Mai eine wichtige Rolle in Herbergers Plänen. Der Fürther, der kurz vor der WM seine Frau Else, die er am Ronhof kennen gelernt hat, heiratet, spielt auch im Endspiel und trägt als Lauf- und kampfstarker defensiver Mittelfeldspieler zum sensationellen 3:2-Finalsieg gegen die Ungarn bei.

Das Endspiel und die Zeit danach gehören mittlerweile zu so etwas wie dem Gründungsmythos der jungen Bundesrepublik. "Unsere Männer haben dem Land damals viel Mut und Selbstbewusstsein gegeben", erinnert sich Mais Witwe Else heute zurück an eine Zeit, in der die Weltmeister bei ihrer Heimkehr mehr waren als nur Fußball-Helden.

Charly Mai bringt es auf 21 Länderspiele, sein letztes 1959 beim 1:1 gegen Polen. Zu dieser Zeit ist er bereits beim FC Bayern, wo er von 1958 bis 1961 spielte. In München eröffnet Mai mit seiner Frau ein Schreibwaren-Geschäft, seine aktive Karriere endet nach einer Zwischenstation bei den Young Fellows Zürich beim FC Dornbirn in Österreich im Jahr 1961.

Mai bleibt dem Fußball treu als Trainer. Er coacht die beiden Ingolstädter Vereine MTV und ESV (die Vorgänger des FC 04) und führt Wacker München 1969 ins Endspiel der Deutschen Amateurmeisterschaft. Noch heute bewahrt man bei Wacker, einst drittbester Verein in München, Mais Schirmmütze von damals wie eine Reliquie auf, erinnert sie doch an einen der größten Erfolge der Vereinsgeschichte.

Mitte der 70er Jahre kehren die Mais nach Fürth zurück. Hier trainiert er die Jugend der SpVgg oder auch den MTV Fürth, damals immerhin in der Landesliga angesiedelt. Er kickt noch ein wenig in diversen Promi-Teams wie dem legendären FC Schmiere von Fernsehmoderator Sammy Drechsel oder der AH der SpVgg. Im März 1993 stirbt der berühmteste Fußballer, den die Kleeblattstadt je hervorgebracht hat, mit nur 64 Jahren an Leukämie.

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