Fürths OB: "Man darf Politiker nicht zu Hass-Objekten machen"

5.11.2019, 08:50 Uhr
Unerhört findet Fürths OB Thomas Jung das Urteil im Fall Künast.

© Horst Linke Unerhört findet Fürths OB Thomas Jung das Urteil im Fall Künast.

Das Attentat auf die Kölner Politikerin Henriette Reker 2015, die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, nun die Morddrohungen gegen grüne Spitzenpolitiker, ebenfalls mutmaßlich von Rechtsextremen: Bei solchen Nachrichten können einem "fürchterliche Gedanken" durch den Kopf gehen, sagt Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung auf FN-Nachfrage. "Die möchte ich lieber nicht vertiefen."

Erst vor kurzem, erzählt er, stand er in Danzig vor dem Schreibtisch des im Januar getöteten Bürgermeisters, der im dortigen Rathaus ausgestellt ist, "wie er ihn an dem Tag hinterlassen hat". Ein Schauer sei ihm über den Rücken gelaufen.

Jung warnt ausdrücklich vor Hysterie. Aber ja, sagt er, er könne es verstehen, wenn heute einer kandidieren will und die Kinder ihn bitten, es lieber zulassen.

Er selbst habe zum Glück in 17 Jahren als OB keine persönliche Bedrohung erlebt, keine Hass-Nachrichten im E-Mail-Postfach vorgefunden, sagt Jung. Es blieb bei harter Kritik oder der Drohung, dass einer zur Zeitung geht: "Alles im Rahmen des Vertretbaren." Nur einmal musste er sich an die Polizei wenden, weil einer ihn böse verleumdete. Jung aber weiß, dass es anderen Kommunalpolitikern anders geht: Es sei schauderhaft, wie oft im Netz infame Gerüchte, zum Beispiel über uneheliche Kinder, gestreut werden.


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Anonyme Post, ein zugeklebter Briefkasten, eine beschmierte Tür: Kamran Salimi, Stadtrat seit 2014, kann über persönliche Anfeindungen leider schon einiges erzählen. Er lebt damit, seit er vor Jahren mit anderen versuchte, den Abbruch des Festsaals des Park-Hotels zu verhindern. Er weiß, wie es ist, wenn Fremde ihm den Tod wünschen.

Anfeindungen aus zwei Richtungen

Die Angriffe kommen aus zwei Richtungen: "Rassismus und Anti-Grün". Er habe es sich nicht angetan, sagt er, die Kommentare zu lesen, die auf Facebook eingingen, als die Fürther Grünen ihn kürzlich zu ihrem OB-Kandidaten kürten. Was ihn freute: dass viele, auch vom politischen Gegner, für ihn eintraten.

Mit seinen Recherchen zur Rolle von Fürther Nazis bei Gräueltaten in der polnischen Stadt Torun ist Salimi umso mehr ein Ziel rechter Hetze. Mit seinen Nachbarn im Haus habe er darüber schon gesprochen. Weil Hass nicht immer nur im Netz bleibt.

Viel zu lange sei es sanktionsfrei möglich gewesen, im Internet zu beleidigen und zu hetzen. Erst jetzt, nach dem Fall Lübcke, bewege sich etwas. Salimi selbst ist entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Er kann sich aber vorstellen, dass manche sich schon fragen, ob sie sich weiter engagieren wollen.

Der Polizei in Stadt und Landkreis sind aus der jüngsten Zeit keine Drohungen gegen hiesige Mandatsträger bekannt. Nur an einen Fall denken Kripo-Chefin Martina Sebald und Zirndorfs Inspektionsleiter Roland Meyer: die Verleumdungen, denen sich Zirndorfs CSU-Bürgermeisterkandidat Bernd Klaski ausgesetzt sah.

Zwingel erhielt Todesdrohungen

Dreieinhalb Jahre liegt es zurück, dass Zirndorfs Bürgermeister Thomas Zwingel im Vorfeld eines Aufmarsches Rechtsradikaler vor der Erstaufnahmeeinrichtung ins Visier offenbar gewaltbereiter Neonazis geriet. Es begann mit Hetzparolen in der Stadt, im Internet kursierte ein Video mit Morddrohung. Die Polizei hat damals ermittelt, allerdings wurde das Verfahren eingestellt. Zwingel erinnert sich nicht gern daran. "Dem ist man wehrlos ausgesetzt."

Völlig irritiert sei er gewesen, was er denn angestellt haben könnte, bis sich herausstellte, dass die Drohung ausländerfeindlichen Ursprungs war. Ungleich mehr aber habe ihn die Furcht um seine Familie belastet. "Man weiß ja nicht, wie weit die gehen. Mein Sohn Tom war damals zehn, da schluckst du schon."

Unverständlich ist ihm ebenso wie Salimi und Jung die Rechtsprechung in der "Causa Künast". Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast muss demnach wüste Schmähungen und sexistische Posts im Internet hinnehmen. Unerhört sei das, so Jung: "Man darf Politiker nicht zu Objekten von Hass machen, sonst gibt es einen Dammbruch."

Auch Zwingel sagt: "Politiker müssen geschützt werden, und wenn dafür Gesetze angepasst werden müssen. Gott sei Dank scheinen die Bemühungen ja jetzt in diese Richtung zu gehen."

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