Gedanken ohne Getöse

12.1.2019, 20:00 Uhr
Gedanken ohne Getöse

© Foto: Horst Linke

Es gibt Bilder, die sind laut. Die knallen sich dem Betrachter buchstäblich ins Bewusstsein. Die Kunst der Doris Erbacher ist anders. Ihre Arbeiten springen niemanden an, machen kein Getöse. Sie wollen mehr. Am besten einen aktiven Hinschauer, der sich ihnen mit Neugier und der Bereitschaft nähert, erfasst zu werden. Denn die Künstlerin offenbart einen Blick auf Intimes: Sie lässt zu, dass ihre Zeichnungen Gedanken und Gefühle freilegen, die sie während der Entstehung beschäftigten. Der Prozess kann zur Brücke werden, die in die Auseinandersetzung mit dem Konsumenten ihrer Kunst führt.

"Offene Briefe"

So leuchtet auch der Titel der Zeichnungen, die Doris Erbacher im vergangenen Jahr beschäftigten, ohne Umwege ein: "Offene Briefe" heißt die Werkgruppe, von der gut 20 Arbeiten in der MUK-Galerie im Pinder Park hängen. Mit einem schwarzen Aquarell-Stift und Wasser hat sie die multiplen Möglichkeiten dieser nur im ersten Moment reduziert erscheinenden Mittel erforscht. Ihre Methode ist die Wiederholung. Ein Punkt, ein Strich wird in wechselnden Systemen wieder und wieder gesetzt. Mit einem feuchten Pinsel löst sie dann Pigmente aus, die sich in einem gewissen Maß kontrolliert ausbreiten.

Gedanken ohne Getöse

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Die so entstandenen Strukturen sind zart und stark zugleich. Manchmal gewinnen sie eine faszinierende Dreidimensionalität, immer geben sie Aufschluss über den konzentrierten Ablauf, den Erbacher erlebt hat, während sie schuf. Diese Zeichnungen lassen sich lesen oder besser gesagt dechiffrieren, als Dokumente grundlegender Erfahrungen. Wird hier doch zum Beispiel über die Folgen berichtet, die eine sich wiederholende Handlung haben kann, die nur vordergründig gleichförmig erscheint.

Doris Erbacher, die 1953 in Bruchsaal geboren wurde und heute in Heidelberg lebt, absolvierte die Staatliche Kunstakademie Stuttgart, lehrte in Mannheim und war in Berlin unter anderem als Filmemacherin tätig. Nach Zirndorf hat sie auch ihre titelgebende Fotoarbeit "hell" mitgebracht. Seriell angelegte kleinformatige Bilder, aufgezogen auf Aluminium, die jeweils ein Stück Himmel zeigen. Manchmal schwebt darin das Wort "hell", gebogen aus einem Stück Draht, der vor die Kamera gehalten wurde.

Das Wort scheint die Wirklichkeit zu konterkarieren. Schließlich, sagt die Künstlerin, werden wir sonnenblind, wenn wir am Tag ungeschützt himmelwärts schauen. Ganz zu schweigen davon, wie lächerlich wenig wir erkennen von dem Universum, das uns umgibt. Und doch gehört das, was wir beim Blick nach oben sehen, ganz uns. Doris Erbacher hält diesen Wimpernschlag fest, wieder und wieder. In der Kontinuität dieser Abfolge wird die Abweichung überdeutlich. Die Wiederholung generiert auch hier nicht etwa Dubletten, sondern öffnet die Augen für die Unterschiede.

Nichts, so wird deutlich, kann und wird sich je deckungsgleich wiederholen. Eine wesentliche Erfahrung, die nicht weniger als ein Grundprinzip darstellt, das das Leben bestimmt. Um Erfahrungen über unsere Wahrnehmung drehen sich letztlich auch die drei Filme, die Doris Erbacher in Zirndorf zeigt. Dabei wurden die bewegten Bilder jeweils von einer Maske abgedeckt, die, Fenstern gleich, lediglich Ausschnitte erkennen lässt. Irritierend? Ja, zum Glück. Denn auch mit dieser Arbeit wird die Schau für den Betrachter zum einnehmenden Seh-Erlebnis.

PMarcel van Eeden, Jahrgang 1965, lebt in Zürich, Den Haarg und Karlsruhe, wo er Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste ist. Er zeichnet gern Kleinformate mit Negrokreide, die sich erzählerisch aufeinander beziehen. An den Film Noir erinnern die Serien des Niederländers. Und: Die Motive müssen aus der Zeit vor seinem Geburtsjahr stammen. Und so gibt es in der Schau "Zigmund’s Machine" der kunst galerie fürth einige verblüffende Fürth-Ansichten, dokumentiert auch in einer wunderbaren Begleit-Dokumentation.

Eine ausführliche Besprechung im FN-Feuilleton folgt.

"hell": Galerie Pinder Park der Gesellschaft für Museum und Kunst Zirndorf (MUK), Im Pinderpark 5/EG. Eröffnung diesen Sonntag, 11 Uhr.

"Zigmund’s Machine": kunst galerie fürth (Königsplatz 1). Eröffnung diesen Sonntag, 11 Uhr. Beide Ausstellungen enden am 24. Februar.

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