Geduldsprobe für Pechvögel

20.12.2010, 09:00 Uhr
Geduldsprobe für Pechvögel

© H.-J. Winckler

Johannes Stöter (18) und Marcel Hofmann (16) gehören am Samstag zu den Glückspilzen. Die beiden Freunde hat am Mittag die Neugier auf den Bahnsteig 21 am Fürther Hauptbahnhof geführt; sie wollen die neue Verbindung ausprobieren.

Weil ein Gleis zwischen Nürnberg und Fürth nicht rechtzeitig fertiggestellt wurde, fuhren S-Bahnen vergangene Woche von Fürth aus nur in Richtung Erlangen-Forchheim-Bamberg, von Nürnberg aus nur in Richtung Lauf-Hersbruck-Hartmannshof. Nun aber ist die Lücke geschlossen und die Durchfahrt möglich (siehe auch Bericht auf S. 13 im Regionalteil). Für die Fürther bedeutet das, dass sie nun mit dem Regionalexpress, der U-Bahn und der S-Bahn zum Nürnberger Hauptbahnhof gelangen.

Nach allem, was sie über den chaotischen S-Bahn-Start in Richtung Erlangen hörten, haben Johannes Stöter und Marcel Hofmann vorsorglich etwas Zeit mitgebracht. Das Staunen ist groß, als der Zug plangemäß um 13.39 am Fürther Hauptbahnhof hält. „Oh, er fährt pünktlich“, entfährt es Hofmann, „welch ein Wunder.“

Um kurz vor 14 Uhr — die beiden dürften gerade in Nürnberg angekommen sein — beginnt am Gleis 21 dann aber doch das große Warten. Es fängt an mit einer jener Lautsprecherdurchsagen, die zurzeit im Minutentakt über die Bahnsteige schallen: 30 Minuten Verspätung kündigt die Frauenstimme für die S1 nach Forchheim an. Der Grund: die Verspätung eines vorhergehenden Zuges.

Weil die Durchsage nicht wiederholt wird und die Anzeigentafel gleich die nächste Verbindung (in die Gegenrichtung nach Nürnberg) anzeigt, ist eine fünfköpfige Familie, die kurze Zeit später am Bahnsteig eintrifft, erst einmal ratlos: „Ist die Bahn nach Erlangen schon weg?“, erkundigt sich der Vater bei den anderen Wartenden. „Wir haben uns umsonst beeilt“, lässt er seine Frau dann wissen.

Apotheke im Rucksack

Im warmen S-Bahn-Zug in Richtung Nürnberg, der als nächstes am Gleis 21 hält, sitzen unterdessen Berta und Michael Scheuerer inmitten von mehreren Club-Fans, die auf den Weg zum Frankenstadion sind. Das Rentner-Ehepaar hat sich schon am frühen Morgen auf die Reise gemacht, um das neue S-Bahn-Netz kennenzulernen, von einem Ende zum anderen und wieder zurück. Die Spazierfahrt gefällt den beiden 74-Jährigen ausgesprochen gut. Die fünfminütige Verspätung ihres Zuges nehmen sie der Bahn nicht krumm.

„Früher fielen im Winter auch Bahnen aus, und wenn sie kamen, war’s drinnen kalt“, sagt Berta Scheuerer. Zudem sei sie gut vorbereitet: „Im Rucksack ist die Apotheke und ein Apfel für den Notfall.“ Bisher sei die Fahrt aber ohne Probleme verlaufen.

Keine größeren Schwierigkeiten will auch Bahnsprecher Franz Lindemair am Wochenende bemerkt haben. „Im Großen und Ganzen lief alles planmäßig“, sagt er. Die Technik habe gut funktioniert, das neue Gleis keine Probleme gemacht. Eine Verspätung von 30 Minuten sei ein bedauerlicher Einzelfall, eine „Momentaufnahme“.

Zu den Pechvögeln, die gerade in dieser S-Bahn saßen, gehört Elke Büchs, die am Nürnberger Hauptbahnhof eine halbe Stunde auf den Zug warten musste. Summa summarum brauchte sie am ersten Tag der neuen Bahn knapp 40 Minuten, um von Nürnberg nach Fürth zu kommen. Der legendäre „Adler“ hatte die Strecke vor 175 Jahren in 14 Minuten geschafft.