Gehalt für Erzieher: Lebenshilfe verärgert Gewerkschaften

16.6.2020, 11:00 Uhr
Gehalt für Erzieher: Lebenshilfe verärgert Gewerkschaften

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Bei den Gewerkschaften GEW und ver.di ist man verärgert über die Lebenshilfe Fürth. Es geht um Geld, genauer um die Gehälter etwa von Erzieherinnen und Heilerziehungspflegerinnen. Die Arbeitnehmervertreter werfen dem Verein vor, diese nicht rückwirkend zum 1. Januar anzuheben.

Zunächst müssten beide Parteien dazu ihren Haustarifvertrag aktualisieren und Verbesserungen analog dem neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) einarbeiten. "Im sehr konstruktiven Sondierungsgespräch waren wir uns über die Eckpunkte schon fast einig", klagt Gewerkschaftssekretär Mario Schwandt (GEW) in einem offenen Brief an die Lebenshilfe, die mit rund 550 Beschäftigten in 18 Einrichtungen 1200 Menschen mit Behinderung betreut. "Nur der Feinschliff fehlte." Doch dann habe die Lebenshilfe einen Rückzieher gemacht. "Brüskierend" sei das, urteilt Schwandt.

Via Mail erklärte die Lebenshilfe-Geschäftsführung dazu, man sehe sich auch wegen der "erheblichen" coronabedingten finanziellen Mehrbelastung "außerstande", die Neuerungen im laufenden Haushaltsjahr umzusetzen. Ihr Vorschlag: Eine Verabredung für den Herbst und Verhandlungen über eine Einführung 2021.

Nach den Worten von Gewerkschaftssekretär Bernhard Bytom (ver.di) geht es für die Betroffenen um ein Plus von mehreren hundert Euro im Monat. So komme eine Erzieherin, die drei Jahre in ihrem Beruf arbeitet, mit der neuen Entgeltordnung brutto auf 3790 statt auf 3370 Euro.

"Klatschen reicht nicht"

"Klatschen während der Krise reicht nicht", kritisiert er mit Blick auf systemrelevante Tätigkeiten im Sozialwesen. "Die Beschäftigten wollen auch ihren gerechten Lohn für die hervorragende Arbeit, die sie leisten."

Was Bytom am Verweis der Lebenshilfe auf die Kassenlage besonders stört, ist, dass der Verein seit Jahren TV-L zahle und die Beschäftigten somit weniger Geld erhielten als ihre Kollegen etwa in Nürnberg, Schwabach oder Lauf, sich aber zugleich auf dem "hohen" Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TvöD) refinanziere. Dies müsse trotz Corona Spielräume für die Umsetzung der 2019 von den Gewerkschaften "endlich erreichten" Verbesserung des Sozial- und Erziehungsdienstes lassen.

Unabhängiger Prüfer soll Finanzlage untersuchen

GEW und ver.di pochen nun auf die rückwirkende Einhaltung der zugesagten Tariferhöhung. Zusätzlich aber solle ein unabhängiger Prüfer klarstellen, ob die wirtschaftliche Not womöglich doch so groß ist, dass Insolvenzgefahr für die Lebenshilfe besteht. In diesem Fall wären die Gewerkschaften die Letzten, versichern sie, "die durch ihre Forderungen einen letzten Nagel in den Sarg schlagen würden".


Lebenshilfe baut eine neue Förderstätte auf der Hardhöhe


Jetzt hat sich auch Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung, seit 1995 Vorsitzender der Lebenshilfe, in die Korrespondenz eingeschaltet. Mit der Aussage, er sei sicher, alles lasse "sich einvernehmlich klären", verströmt er Gelassenheit. Auf Nachfrage sagt Jung: "Unser Personal ist wertvoll" – und er verspricht "eine gute Lösung" für die "ausgesprochen treue Belegschaft".

Doch wegen der Corona-Pandemie sei es nicht nur schwierig, eine Versammlung zu terminieren, es fehlten der Lebenshilfe auch "Finanzmittel im mittleren sechsstelligen Bereich". So hätten die Dambacher Werkstätten für Behinderte "gewaltige Verluste" zu verkraften, weil sie im Shutdown Aufträge nicht abarbeiten konnten. Und dem Samocca-Café, in der Neuen Mitte, das erst diesen Montag um 10 Uhr wieder öffnet, seien bei weiterlaufenden Mieten die Umsätze weggebrochen.

Reaktion des OB macht Hoffnung

Jungs Reaktion macht Bytom "Hoffnung, dass eine härtere Auseinandersetzung nicht notwendig wird". Den Tarifvertrag wollen GEW und ver.di heuer trotzdem kündigen, um 2021 im Fall des Falles streikfähig zu sein. Weil sie das Ende 2019 "im Vertrauen auf das von der Arbeitgeberseite signalisierte Interesse an einer Einigung" nicht getan haben, könnten sie jetzt nämlich nicht streiken.

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