Gemischte Doppel

15.6.2018, 18:00 Uhr
Gemischte Doppel

© Loredana La Rocca

Marianne und Serge sind schon lange verheiratet. Aber sie unterhalten sich noch, stellen einander Fragen, berichten sich aus ihrem Leben. Alles richtig gemacht, rufen gewiefte Paartherapeuten vermutlich an dieser Stelle. Der Zuschauer ist sich da nach knapp zwei Stunden Spielzeit nicht mehr so sicher. Denn hier wird sich um Kopf und Kragen geredet.

Das Problem beginnt damit, dass zumindest Marianne sich nicht nur für das Dasein ihres Partners interessiert, sondern auch zuhört, wenn er erzählt. Obendrein vergisst sie nichts. Eine blöde Kombination. Vor allem, weil diese Frau es tatsächlich mit der Wahrheit aufnehmen will. Was sich nicht nur für ihren Mann als äußerst fatal erweist . . .

Alexandra von Schwerin und Mathieu Carrière als Marianne und Serge kämpfen sich durch diesen Paar-Lauf, der wie Federball mit schwerem Geschütz anmutet. Eric Assous brillante Dialoge sind raffiniert und pointiert, vor allem aber gelingt es dem Autor, die Sympathien des Publikums einen Abend lang von ihm zu ihr und wieder zurück mäandern zu lassen. Die beiden Darsteller halten die Spannung ohne Durchhänger hoch, was ein kleines Kunststück ist: Es passiert ja buchstäblich überhaupt nichts. Schwerin und Carrière verhandeln Lug und Trug und Täuschung auf eine höchst zivilisierte Art, die keine Wunden schlägt, aber ein Trümmerfeld zurücklässt.

Nach dem letzten Geständnis ist keine Frage mehr offen. Eine gewisse Erschöpfung macht sich breit und die Erkenntnis, dass diese Redeschlacht nur um ihrer selbst willen zeitvertreibend über die Bühne getobt ist. Aber wer hat sich je schon an die alte Spruchweisheit gehalten, dass Schweigen Gold ist? Eben.

Einsamer Held

Eine Palme weht im Wind. Sonst ist da nichts, nur der leere Himmel. Das ist die Welt, die der Einsiedler auf seiner einsamen Insel bewohnt und beherrscht. Robinson Crusoes Insel ist für die bayerischen Theatertage nach Fürth gekommen, auf die Bühne im Kulturforum.

Dort steht der Schiffbrüchige (Benedikt Zimmermann) nun und erzählt Witze über Schiffbrüchige und Gestrandete, weil er nicht anders kann, denn "Weisheit ist, wenn man trotzdem lacht". Das ist dicht, witzig, tragisch, verstörend und durchaus anstrengend, denn Zimmermann bleibt naturgemäß für einen großen Teil der guten Stunde Spielzeit alleine und lotet den Geisteszustand eines Menschen aus, der aus der Zivilisation gefallen ist und sie doch nicht hinter sich lassen kann, der zwischen Größenfantasien, Verfolgungswahn, Verzweiflung und Resignation von einem Extrem ins andere fällt. Das preisgekrönte Stück von Raoul Biltgen ist für Kinder ab acht Jahren ausgeschrieben, aber im Saal sitzen an diesem frühen Abend im Kulturforum erheblich mehr Erwachsene als Kinder.

Auch die Zuschauer werden in die Extreme von Robinsons einsamer Existenz hineingenommen, in die fast peinliche Befremdung angesichts des schlechten Geschmacks, mit dem der Schiffbrüchige mäßige Witze reißt, in das Lachen über den Galgenhumor, das einem im Hals stecken bleibt. Und dann zunehmend in die durchaus verstörende Erkenntnis, dass Robinsons absurdes Verhalten sich gar nicht so sehr von unserem eigenen unterscheidet.

Denn der Schiffbrüchige hat den Kapitalismus mit auf seine Insel genommen, hält frenetisch Inventur über seine Habseligkeiten, zu denen selbst der tote Hund zählt, und lebt in ständiger Angst vor "den anderen", die kommen und ihn bestehlen könnten. Und als dann tatsächlich Freitag auftaucht, der eigentlich auch Robinson heißt, aber "der Name gehört mir", entfaltet sich vor den Augen des Publikums die schreckliche verdrehte Logik der aktuellen Flüchtlingsdebatte.

"Bau ein neues Schiff", rät er dem neuen Gestrandeten, der vor den Kannibalen in seinem Heimatland geflohen ist, "aber nicht mit meinem Holz", denn "meine Insel gehört mir!" Ob Anpassung, Verzweiflung über den Verlust der Heimat oder Glück über seine Rettung, alles, was der Neue, der Fremde (Mike Sobotka) tut, bestätigt Robinson in seiner Paranoia, bis die beiden zuletzt einen Revierkampf ausfechten wie die Einsiedlerkrebse, von denen Robinson zuvor erzählt hat.

Die Situation scheint so verfahren, dass eine konstruktive Lösung nicht mehr möglich ist, aber dann, ganz am Ende, lässt Frank Piotraschkes Inszenierung die beiden Männer erschöpft auf dem Boden liegen und eine unerwartete Gemeinsamkeit entdecken, einen Weg, der die Angst und Gier umschifft: Es ist der Weg des Humors. Und wenn Robinson seinen Witz von der Fee, die dem Einsiedler einen Wunsch gewährt, zum letzten Mal erzählt, schwingt darin die Erkenntnis mit, dass der Mensch nur in Gemeinschaft wirklich Mensch sein kann.

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