Genüssliche Fassaden-Demoliererei

12.3.2018, 16:10 Uhr
Genüssliche Fassaden-Demoliererei

© Hans-Joachim Winckler

Sanitärkeramik markierte den Höhepunkt dieses Theaterabends, und das war gut so. Wenigstens blieb nach der Szene in einem engen, öffentlichen Toiletten-Kabuff kein Zweifel mehr daran, dass für das Personal dieser Posse wirklich alles den Orkus runtergeht. Eine Einsicht, die in der anschließenden Pause ein paar Besucher dazu brachte, auf die zweite Halbzeit zu verzichten. Nun, sie haben nichts versäumt. Es ging weiter, wie es bei einem Stück der hochgeschätzten Yasmina Reza zu erwarten war. Schade blieben die Abgänge trotzdem, weil es Spaß machte, fünf hochmotivierten Darstellern bei der Arbeit zuzusehen.

Heio von Stetten und Julia Hansen, zum Beispiel. Die beiden spielen ein Gespann, dessen Scheitern von Beginn an vorprogrammiert war. Er, der spießige Fremdgeher, der sich von seiner Ehefrau sogar noch Tipps anhört, wohin er seine Freundin ausführen kann. Sie, die medikamentenabhängige Alleinerziehende, die längst am bitteren Ende ihrer Träume angelangt ist. Dazu gesellen sich Susanne Steidle und Christopher Krieg, als weitere kaum weniger dysfunktionale Paarung. Nur einmal kurz Luftholen und schon stecken alle mitten im feinsten Gemetzel.

Wunden schlagen mit Worten ist eine Disziplin, die Yasmina Reza grandios beherrscht. Die französische Autorin hat dem Genre der Boulevardkomödie mit ihren grenzenlos bissigen Dialogen einen Frischekick verpasst. Nonchalant entlarvt sie zügellose Boshaftigkeit als Königsdisziplin einer Gesellschaftsschicht, die alles hat, außer einer hoffnungsvollen Perspektive. Mit "Kunst" oder "Der Gott des Gemetzels" wurde Reza zum Star. Als sich Thomas Ostermeier, künstlerischer Leiter der Berliner Schaubühne, ein Stück von ihr wünschte, bekam er "Bella Figura". 2015 war die Uraufführung an seinem Haus.

Tatsächlich gibt es an diesem Stück nichts wirklich Wesentliches zu meckern. Wie hier etablierte Durchschnittsbürger aufeinander losgehen und genüsslich die Fassaden demolieren, das ist ein klug gebauter, frappierender Spaß. Ziemlich perfekt gemacht, wenn das Ganze bloß nicht so absehbar wäre.

Thomas Goritzki (Regie) inszeniert mit einer spürbar ironischen Distanz, die dem Ganzen gut bekommt. Umbaupausen (das sehr gelungene Bühnenbild ist von Stephan Mannteuffel) werden spielerisch vertanzt. Neben den beiden Paaren agiert Doris Kunstmann als dezent demente Mutterfigur und Katalysator. Sie stichelt und liebkost, heizt an, wenn die Verve der Wut nachzulassen droht.

Dabei ist Doris Kunstmann stets auch Doris Kunstmann, was in diesem Fall ein Kompliment ist. Sie trägt die Erinnerung an großartige Zeiten mit sich. Zeiten, die im nostalgischen Rückblick immer fantastischer werden und genau damit verkörpert sie in jedem Moment die Resignation, die die Autorin ihrer Figur zugeschrieben hat.

Allem Pessimismus zum Trotz macht am Ende nur die sagenumflorte Diva aus den 70ern noch einmal so richtig bella figura in diesem hoffnungslosen Spiel. Ein Trost ist das nicht.

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