Gustavstraße: Wie heftig war die Ohrfeige?

24.3.2017, 09:30 Uhr
Zivilklage in der Gustavstraße. Übertreibt das Opfer?

© Winckler Zivilklage in der Gustavstraße. Übertreibt das Opfer?

Der Vorfall liegt mittlerweile fast fünf Jahre zurück – die Folgen will einer der Beteiligten aber noch heute spüren. Am 30. Juli 2012 erhielt ein Mann, der sich nach eigenen Worten für eine lebendige Gustavstraße einsetzte, eine Ohrfeige – von der Ehefrau eines Lärmgegners. "Ich wollte eigentlich schlichten", sagt das Opfer heute. Eine Gruppe Jugendlicher soll sich vor dem Haus der Frau an Flyern vergriffen haben.

"Es gab damals schon genug Stress an der Gustavstraße", sagt der Mann. Er habe den Jugendlichen zu verstehen gegeben, dass sie damit aufhören sollten, um weiteren Ärger zu vermeiden. In diesem Moment sei die Frau aus dem Haus gekommen – mit einer Kamera in der Hand, um ihn abzulichten. "Ich wollte das nicht und hab’ mir die Hand vor das Gesicht gehalten", sagt er. Dabei sei die Kamera auf den Boden gefallen.

Die Frau habe das Gerät aufgehoben und ihm eine schallende Ohrfeige verpasst – so heftig, dass man sie im dritten Stock eines gegenüberliegenden Hauses noch hören konnte, meint zumindest das Opfer, das mittlerweile für die SPD im Stadtrat sitzt. Es ist davon überzeugt: "Sie hat aus Frust zugeschlagen." Die Frau hingegen bezeichnet den Schlag als "harmlos". Sie habe ihn nur leicht an der Wange getroffen – das Ohr habe sie gar nicht berührt.

Immer noch Tinnitus

Die Staatsanwaltschaft nahm sich des Vorfalls damals nicht an. Das Verfahren wurde eingestellt, es wurde auf den Privatklageweg verwiesen – und der läuft bis heute. Wochenlang wurde das Opfer in einer HNO-Klinik behandelt. Noch heute will der Mann an Tinnitus leiden. Außerdem soll er Schwierigkeiten haben, wenn ihn jemand von der linken Seite aus anspricht. Daneben macht er die Lärmgegnerin für seine "Hyperakusis" verantwortlich, eine Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen. Für all das fordert er nun Schadenersatz. Es geht um einen hohen vierstelligen Betrag.

Aber kann eine Ohrfeige überhaupt zu so schwerwiegenden Verletzungen führen, die nach viereinhalb Jahren noch zu spüren sind? Diese Frage sollte in dem Zivilverfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth ein Gutachter beantworten. Seine Aussagen schmeicheln dem Kläger nicht unbedingt. "Er scheint den Schaden, den er hat, sehr zu akzentuieren", befand der Gutachter vor Gericht. Und später: "Er dramatisiert auch extrem." Zur gesteigerten Geräuschempfindlichkeit meinte er: "Wenn man sich eine solche Situation ins Gedächtnis ruft, dann ist es plausibel, dass die Hyperakusis als schlimmer empfunden wird."

Ein Problem hat aber auch der Sachverständige: Der Hörschaden, den das Opfer verspüren mag, ist nur schwer messbar. Auch die Ohrfeige ist technisch nicht nachzustellen.

Der Prozess wird fortgesetzt.