Halle 96: Corona zwingt zur Flexibilität

5.6.2021, 21:00 Uhr
Halle 96: Corona zwingt zur Flexibilität

© Foto: Tim Händel

Jedem Musikschüler und Konzertgänger im Fürther Umland ist die Halle 96 in Veitsbronn-Siegelsdorf ein Begriff. Keine hundert Meter hinter dem Bahnhof Siegelsdorf liegt das Gelände einer ehemaligen Ziegelei. In einer Werkhalle hatten sich im Jahr 2007 die professionellen Schlagzeuger Michael Frischbier (49) und Rami Ali (53) eingerichtet.

Dort erteilten sie Unterricht am Schlagzeug, weitere Mitstreiter boten Unterricht an Bass und Keyboard an; dazu richteten sie kleine, aber feine Konzerte aus und stellten die Halle auch für Sporttraining, Festivitäten und große Geburtstagspartys zur Verfügung.

Dann aber kam Corona und mit ihr ein dicker Strich durch die Rechnung der Mischkalkulation. Wie sollte es nach dem März 2020 weitergehen? Selbst bei Befolgen der Abstandsregelung hätten nur 34 Zuhörer in die Halle hineingedurft. Dafür tritt niemand auf. In seiner Eigenschaft als Mischbetrieb fielen dem Unternehmen viele Hilfen weg.

Zehn Übungsräume

So reifte im vorigen Herbst in Michael Frischbier der Plan zur Umstrukturierung: Aus einer Halle wird eine Herberge für zehn Übungsräume beziehungsweise Ateliers und zwei Lager, verteilt auf zwei Etagen. Das bedeutete viel Arbeit. Die selbst gezeichneten Grundrisse sah ein Architekt durch und zeichnete sie professionell nach. Viele tragende Holzbalken wurden geordert und geliefert.

Da gab es schon die erste Überraschung: "Wir dachten, der Laster bringt die Balken mit einem Kran an", erinnert sich Michael Frischbier. "Tat er aber nicht. Also halfen wir uns schnell mit einem Gabelstapler aus. Aber dann mussten wir die 13 Meter langen Balken in die Halle schleppen, die nur elf Meter breit ist. Also haben wir die Balken draußen im Winter bei Schnee und Kälte abgesägt."


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An Ostern ging es dann richtig los mit der Arbeit. Nur zu zweit, wohlgemerkt. Als gelernter Karosseriebauer und Coverrocker (Judas Priest, Iron Maiden) schreckt Michael Frischbier vor keinem Hand- und HeavyMetal-Werk zurück, und Rami Ali tut es ihm nach. "Beim Michael lernt man jeden Tag was Neues dazu", urteilt der Mann mit dem roten Ziegen-

bart.

Zum Beispiel: Balken einziehen, Wände bauen, und zwar mit mehrfacher Schall- und Brandschutzdämmung mittels Rigips- und OSB-Platten. Es folgt noch eine eiserne Treppe ins Obergeschoss. An drei Tagen in der Woche erteilen beide online Schlagzeug-Unterricht und koordinieren die Musikstunden mit sieben weiteren Lehrern, für die handwerkliche Arbeit stehen die Wochenenden und die Ostern- und Pfingstferien zur Verfügung. "Mit Abstand das Größte, was wir jemals gebaut haben", sind sich die Schlagzeuger einig.

Bedarf ist da

Im Oktober wollen beide den Betrieb starten. Zuvor wird schon im Juli die Halle nebenan in Angriff genommen: die soll 16 weitere Übungsräume sowie den Musikclub aufnehmen. Gibt es denn so viele Schüler, Bands und bildende Künstler, um die Hallen voll auszulasten? "Doch, doch", meint Frischbier, "in Nürnberg gibt es recht wenige Übungsräume und schöne Räume noch weniger. Wir als Profimusiker aber wissen, wie ein Übungsraum beschaffen sein muss, damit die Akustik stimmt und man sich dort wohlfühlt. Die Bands kommen aus Fürth, Nürnberg und dem Umland, die Musikschüler aus Veitsbronn und dem Umland."

Lektionen erteilen alle neun Musiklehrer jeweils im Einzelunterricht. "Ein Lehrer – ein Schüler. So muss es sein", sind sich Ali und Frischbier einig, "bei mehreren Schülern wird der Lehrer wahnsinnig und selbst bei zwei Schülern bleibt doch immer einer auf der Strecke."

Auch Ateliers können bezogen werden. "Inzwischen gibt es Lichtquellen, die die Qualität des Tageslichts ganz gut erreichen", erzählt Michael Frischbier, "und die Halle nebenan verfügt über einen Steinboden, da kann dann auch ein Steinmetz oder ein Metallskulpteur arbeiten."

Wird sich der Kraftakt lohnen? Rami Ali und Michael Frischbier sind sich einig: "Wenn wir gar nichts machen, zerreißt es uns auf alle Fälle. Wenn wir es probieren, dann haben wir die Möglichkeit, dass es klappt. Es ist zwar eine Flucht nach vorne, aber gut fürs Seelenheil. So eine Arbeit nimmt direkt therapeutische Züge an."

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