Hardhöhe: Anwohner in Aufruhr

29.7.2010, 08:30 Uhr
Hardhöhe: Anwohner in Aufruhr

Die Stimmung ist angespannt, bei manchen, es ist nicht zu überhören, liegen die Nerven blank. Die Stadt könne doch nicht jede verbliebene Freifläche zupflastern, heißt es, irgendwann müsse „die Spirale des Wachstums ein Ende haben“; eine „Berliner Mauer“ solle ihnen vor die Nase gesetzt werden, schimpft eine Frau. Ein Mann mittleren Alters gar droht mit wohl gesetzten Worten, auf Stadt und Investoren werde „eine Flut von Klagen“ zukommen, halte man an den Planungen fest.

Nein, einen leichten Stand haben Fürths Baureferent Joachim Krauße und Bürgermeister Markus Braun an diesem regnerischen Abend beim Ortstermin nicht. Dicht umringt von einem stattlichen Pulk Anwohner stehen sie am Rand eines malerischen Maisfelds und direkt vor dem Bolzplatz hinter dem Jugendhaus Hardhöhe — dort, wo sich ab dem nächsten Jahr unter dem Namen „Hardhöhe West“ eines der größten Gewerbegebiete der Kleeblattstadt erstrecken soll, geht es nach dem Willen des Rathauses.

Rund 230000 Quadratmeter, so viel wie 30 Fußballfelder, umfasst die ins Auge gefasste Fläche; sie reicht vom OBI-Baumarkt und der BMW-Niederlassung bis hinüber zum Main-Donau-Kanal, von der Würzburger Straße bis hinauf zur Bahnlinie Nürnberg-Würzburg. Sicher ist bereits, dass die Naturkostkette „ebl“ dort 2011 ihr neues Hauptquartier samt Zentrallager aufschlägt, als sehr wahrscheinlich darf gelten, dass der Discounter Norma das Gleiche tun wird. Aus Sicht der Stadt ist das ein Segen, weil rund 1000 Menschen auf dem Gebiet in Lohn und Brot stehen werden, etliche davon auf neu geschaffenen Stellen, und weil mehr Gewerbesteuer in die bedenklich leere Stadtkasse fließen könnte.

Die Anwohner aber fühlen sich überfahren und schlecht informiert. Aus der Zeitung erst habe man erfahren, was geplant ist und vor allem: in welchem Ausmaß. Nicht lange hat es gedauert, bis sich die Menschen aus dem hinteren Bereich der Hardhöhe austauschten und zu organisieren begannen.

Von einer Bürgerinitiative könne noch nicht die Rede sein, sagen sie, doch es dürfte der Anfang sein. Ihre Hauptsorge: der zusätzliche Lärm in einer Gegend, die schon bisher durch die unmittelbare Nähe von Verkehrsadern – Bahnlinie, Südwesttangente, Hafenstraße und Würzburger Straße – „massiv beeinflusst ist“, wie es in einem Schreiben der Ehepaare Wenzel, Kehr und Kresser an das zuständige Baureferat heißt. Zwar sei eine Lärmschutzmauer vorgesehen, doch die rücke bis auf 15 Meter an die Gartenzäune heran – viel zu nah, wie die Besitzer klagen, die zudem einen massiven Wertverlust für ihre Grundstücke und Häuser fürchten.

„Räumliche Weite“

Doch auch um ein Stück unverbaute Natur vor ihrer Haustür geht es den Beschwerdeführern, wie klar herauszuhören ist. Auch wenn die Fläche „nicht dem klassischen Ideal eines Naherholungsgebiets“ entspreche, so vermittle sie den Anwohnern doch „durch die räumliche Weite ein gewisses Maß an Freiheit“.

Klar ist den meisten, die nun auf die Barrikaden gehen, freilich auch: Schon seit Mitte der 80er Jahre ist das Areal als Gewerbegebiet im Gespräch. Einst verkaufte es die Kommune an das Versandhaus Quelle, das hier seine Hauptverwaltung hochziehen wollte. Auf verschlungenen Wegen ging die Fläche kürzlich zum Schnäppchenpreis wieder in die Hände der Stadt über, die nun Nägel mit Köpfen machen möchte.

Sei die gewerbliche Nutzung schon unvermeidlich, dann wünschen sich die Anwohner wenigstens einen Kompromiss: „einen großzügig dimensionierten und umweltverträglichen Übergangsbereich zwischen Wohn- und Gewerbegebiet“, eventuell sogar ein „parkähnliches Naherholungsgebiet“. Mindestens 100 Meter müsse die Schneise breit sein. 373 Menschen haben diese Forderungen binnen weniger Tage unterschrieben, und „das ist erst der Anfang“, so die Initiatoren.

Auch bei der Stadtspitze stoßen sie nicht auf taube Ohren. Noch sei man am Anfang, noch sei der Bebauungsplan nicht beschlossene Sache, noch gebe es für die Bereiche unmittelbar neben dem Wohngebiet keine konkreten Überlegungen, beruhigt Baureferent Krauße. Er verstehe dieses erste Treffen als „den Beginn eines Dialogs“, denn nichts sei festgezurrt, sekundierte Bürgermeister Braun, der mit seiner Familie pikanterweise mitten im betroffenen Wohngebiet daheim ist. Man lege Wert auf eine Stadtentwicklung im Einvernehmen mit den Bürgern, könne sich eine eigens einberufene Versammlung nach den Ferien vorstellen.

Während er dies sagt, reißt der Himmel auf, der Regen macht Pause. Braun nimmt es als gutes Zeichen für die weiteren Verhandlungen — und auch mancher Anwohner hat wieder Hoffnung geschöpft, selbst wenn ein gesundes Maß an Skepsis bleibt.