Hätte Fürth die Pegida-Demo absagen können?

16.11.2016, 06:00 Uhr
Die Pegida-Demo am Martinstag sorgte für viel Empörung.

© Hans-Joachim Winckler Die Pegida-Demo am Martinstag sorgte für viel Empörung.

Was ist eigentlich passiert?

Pegida Nürnberg hatte für den 11. November eine Demo in Fürth unter dem Motto "Sankt Martin und seine heutige Bedeutung" angemeldet. Die Rechtspopulisten wollten sich erneut - zum vierten Mal - am Bahnhofplatz versammeln. Um die Straßen dort nicht schon wieder sperren zu müssen, hatte das Ordnungsreferat die Veranstaltung in Absprache mit Pegida an den Obstmarkt verlegt. Das Ordnungsreferat hatte dabei allerdings nicht daran gedacht, dass sich am selben Tag in der ganzen Stadt Laternenumzüge in Bewegung setzen würden (diese sind, wenn überhaupt, beim Straßenverkehrsamt angemeldet; wenn die Kinder nur auf dem Gehweg laufen und die Polizei den Zug nicht absichern muss, müssen sie nicht gemeldet werden). Als die Kirchengemeinde die Stadt auf die Kollision hinwies, ging man im Amt zunächst davon aus, dass die Laternenumzüge unproblematisch eine veränderte Route nehmen könnten. Den Ärger der Bürger unterschätzte man. Laternenzüge dreier Kitas wurden umgeplant. Als die Stadt Pegida noch dazu bewegen wollte, die Demo ausfallen zu lassen, bot die Gruppe einen vergifteten Deal an.

Warum genehmigt die Stadt überhaupt rechte Demos?

Das Versammlungsrecht ist in Deutschland stark geschützt. Der Spielraum der Kommunen ist sehr gering, sagt Prof. Dr. Max-Emanuel Geis, Rechtswissenschaftler der Uni Erlangen und Experte für Versammlungsrecht. Verhindern können Städte Demonstrationen von Gruppierungen, die nicht verboten sind, kaum. Nur wenn es "ganz konkrete Hinweise darauf gibt, dass die Versammlung unfriedlich abläuft", also mit Gewalt zu rechnen ist, könne man sie untersagen. "Rassistische Parolen sind noch keine Gewaltaufrufe", erklärt Geis.

Städte müssen Kundgebungen übrigens auch nicht genehmigen: Versammlungen müssen im Ordnungsamt nur rechtzeitig "angezeigt", also gemeldet, werden. Stadt und Polizei müssen dann überlegen, ob Auflagen gemacht werden müssen. Geis: "Je kooperativer sich ein Veranstalter zeigt, umso höher wird die Eingriffsschwelle."

Viele Städte, sagt er, haben schon versucht, rechte Demos zu verhindern "und sich dabei eine blutige Nase geholt, weil das schlicht nicht durchgeht". In der Regel bewegen sich die Strategen der Rechten geschickt entlang der "dünnen Grenze" des Zulässigen. Auch in Sachen Pegida sei die Rechtslage längst geklärt. Sie dürfen demonstrieren, "das müssen wir schlucken".

Warum hat die Stadt die Demo an diesem Tag nicht verboten?

Der Anmelder- nicht die Stadt - hat das Recht, den Zeitpunkt zu bestimmen. Nur ganz bestimmte Gedenktage sind ausgenommen. Sankt Martin zählt nicht dazu.

Warum verbannt die Stadt rechte Demos nicht in den Wiesengrund/auf den Müllberg/ins Gewerbegebiet? Oder warum verschiebt sie sie nicht auf den Vormittag?

"Eine Versammlung hat ein Recht darauf, ein Publikum zu erreichen", sagt der Erlanger Professor. Dahinter stehe der Gedanke, dass das Versammlungsrecht die "Meinungsfreiheit des kleinen Mannes" ist. Kundgebungen dürfen daher öffentlichkeitswirksam stören oder provozieren. Und das ginge schlecht, wenn man sie einfach ins verwaiste Industriegebiet oder andere abgelegene Ecken abschieben könnte. Genauso haben Demonstranten das Recht, eine Zeit wählen zu können, in der sie ein Publikum erreichen. Also etwa abends, wenn Menschen nach der Arbeit heimfahren.

Wie gesagt: Der Anmelder hat das Recht, Ort und Zeit zu wählen. In einem Kooperationsgespräch können - wie bei Pegida passiert - Stadt und Polizei versuchen, sich mit dem Anmelder auf einen anderen Ort zu einigen. "Hätte Pegida aber auf den Bahnhofplatz bestanden, hätten wir nichts machen können", sagt Fürths Polizeichef Peter Messing. Nur wenn sich die Sicherheit an einem bestimmten Ort auch bei größter Anstrengung der Behörden und Polizei nicht gewährleisten lässt, erklärt Geis, kann die Kommune den Ort ablehnen.


Kommentar zum Laternen-Debakel: Warum der Shitstorm falsch ist


Hätte die Stadt die Demo absagen können, nachdem sie bemerkt hatte, dass der Platz schon durch Laternenumzüge belegt ist? Warum riskierte sie keinen Rechtsstreit?

Zunächst gingen die Verantwortlichen davon aus, dass sich leicht andere Routen für die Laternenzüge finden. Als die Empörung über die Stadt hereinbrach, versuchte der Ordnungsamtsleiter vergeblich, Pegida zum Ausfallen der Demo zu bewegen. Der Anmelder kündigte in dem Gespräch juristische Schritte für den Fall einer Absage an. Experte Geis hält es für wahrscheinlich, dass Pegida im Eilverfahren das Demonstrationsrecht an diesem Termin eingeklagt hätte. "Da sind die Chancen der ,Guten' gleich Null."

Hätte Fürth die Pegida-Demo absagen können?

© privat

Einen Rechtsstreit - bezahlt mit den Steuergeldern der Bürger - hätte die Stadt "ganz sicher verloren", sagt Geis. So schätzte man es auch im Ordnungsreferat ein. Bei widerstreitenden Interessen - die Laternenumzüge der Kinder und die Pegida-Demo - erwartet das Gericht, dass alles getan wird, um beide Seiten ihre Grundrechte (Ausübung der Religionsfreiheit bei den Kindern, Meinungsfreiheit bei Pegida) wahrnehmen zu lassen, also einen Kompromiss zu finden, sagen Geis und Fürths Ordnungsamtsleiter Hans-Peter Kürzdörfer. Eine Lösung könnte dann sein, die Routen der Laternenzüge zu ändern. Zumal, fügt Geis hinzu, es für einen Laternenzug, der eine Veranstaltung für Kinder und Eltern ist, nicht zwingend nötig ist, Publikum zu erreichen.

Eine Verlegung der Demo auf einen anderen publikumsträchtigen Ort erschien zu dem späten Zeitpunkt aus zwei Gründen eher schwierig: 1) Teilnehmer, Polizei und Straßenverkehrsamt waren auf den Ort vorbereitet. Für den Polizeieinsatz wäre eine Änderung zwar nicht unmöglich gewesen, sagt Fürths Polizeichef Peter Messing auf Nachfrage, aber auch nicht unproblematisch. 2) Pegida hätte zustimmen müssen. In einem Rechtsstreit hätte das Gericht berücksichtigt, dass die Rechtspopulisten bereits mit der ersten Verlegung einverstanden waren und sich kooperativ gezeigt hatten. Damit wird es schwieriger, ein erneutes Nachgeben zu erwarten. Die Änderung der Routen der Laternenzüge erschien den Verantwortlichen daher zunächst einfacher.

Kann die Stadt Kundgebungen vor dem Haus von Pegida-Mann Gernot Tegetmeyer verbieten, wie er es gefordert hat?

"Da schlägt das Versammlungsrecht zurück", sagt Professor Geis. Solange sich die Versammlung auf öffentlichem Grund abspielt, kann Tegetmeyer sich nicht auf Störung seiner Privatsphäre berufen. Solange er nicht bedrängt oder bedroht wird, müsse er - zumal als Person des öffentlichen Lebens - eine Demonstration gegen sich und seine politischen Botschaften auch hinnehmen.

Kann die Stadt einen Mindestabstand für Gegendemonstrationen festlegen?

"Das ist nicht erfüllbar", sagen Geis und Kürzdörfer. Jede Demonstration muss im Einzelfall betrachtet werden. Pauschal kann die Stadt keine Auflagen machen.

Warum kommt Pegida so oft nach Fürth?

Im Internet wird der Stadt Fürth unterstellt, es müsse in der Stadtverwaltung Sympathien für Pegida geben - sonst würde die Gruppierung nicht "so gerne nach Fürth kommen". Fakt ist: Pegida Nürnberg kommt nicht nur nach Fürth, sondern demonstriert regelmäßig auch in Nürnberg. Und in München beispielsweise hatte der dortige Pegida-Ableger zeitweise täglich Demonstrationen angemeldet.

 

Der Artikel wurde am 18. November um 12.30 Uhr ergänzt.

 

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