«Ich bin Frau von der Leyen dankbar»

26.4.2008, 00:00 Uhr
«Ich bin Frau von der Leyen dankbar»

© ts

Herr Meister, warum sollte ein Rentner auf seinen wohlverdienten Ruhestand auf Mallorca verzichten und sich ehrenamtlich engagieren?

Meister: Das würde ich niemanden vorschreiben wollen. Jeder soll seinen Ruhestand so gestalten, wie er will. Ich warne nur davor, ohne Ziel in den Ruhestand zu gehen. Wer aus dem Beruf ausscheidet und nichts mit sich anfangen kann, der fällt oft in ein schwarzes Loch. Mit schlimmen Folgen.

Was meinen Sie?

Meister: Die Lebenserwartung dieser Menschen ist oft kürzer.

Das Ehrenamt verlängert also das Leben?

Meister: Es kann ihm auf jeden Fall einen Sinn geben. Helfen macht glücklich, so viel steht fest. Und es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu engagieren - zum Beispiel bei den Wohlfahrtsverbänden oder dem Zentrum Aktiver Bürger (ZAB). Da wird niemand abgewiesen.

Was genau können Senioren tun?

Meister: Auch diese Palette ist so ungeheuer vielfältig. Sie können zum Beispiel Nachhilfe geben. Oder für die Nachbarin, die auf den Rollstuhl angewiesen ist, einkaufen. Oder mit ihr spazieren gehen.

Das Ehrenamt spielt sich also nicht zwangsläufig in einem Verband oder Verein ab?

Meister: Nein, nein. Die meisten Ehrenamtlichen in Deutschland sind im allgemeinen Leben zu finden. Nur hört und sieht man von ihnen meistens nix.

Warum nicht?

Meister: Man kann von Ehrenamtlichen sicher viel verlangen, aber nicht, dass sie sich selbst beweihräuchern.

Was sollte man beachten, wenn man sich engagiert?

Meister: Man sollte auf keinen Fall erwarten, dass einem der Dank ewig und drei Tage nachschleicht. Diese Einstellung ist fehl am Platz. Für gefährlich halte ich es auch, wenn Menschen ihr eigenes Leben komplett zurückstellen, wenn sie süchtig werden nach der Bestätigung in der Gemeinschaft. Wenn sie glauben: «Wenn ich nicht helfe, bin ich nichts mehr wert.»

Die Bundesfamilienministerin spricht von purem Gold; ein Schatz, den es zu heben gilt. Schlummert da tatsächlich so ein Potenzial bei den Rentnern?

Meister: Auf jeden Fall. Schauen Sie, all diese Leute haben einen so reichen Erfahrungsschatz, den sie weiterreichen könnten, ob das jetzt der Professor ist oder der Handwerker. Von daher bin ich Frau von der Leyen sehr dankbar für ihre Initiative. Allerdings darf der Staat auch nicht verlangen, dass sich jeder Mensch verpflichtet fühlen muss, sich ehrenamtlich zu betätigen. Das Ehrenamt funktioniert eben nur freiwillig.

Welche Bedeutung wird das Ehrenamt in Zukunft haben?

Meister: Es ist ja schon jetzt so, dass unsere Gesellschaft in ihrer sozialen Vielfalt ohne die Solidarität und den Gemeinsinn der vielen Helfer nicht existieren könnte. Und in Zukunft wird deren Bedeutung noch wachsen. Ein Blick auf die Alterspyramide verrät uns, dass gegenseitige Hilfe im Alter wichtiger wird denn je. Wir brauchen auch mehr Omas und Opas, die den Jungen bei der Kinderbetreuung helfen. Nicht umsonst geht der Trend zu neuen Wohnformen, wo zum Beispiel Ältere und Alleinerziehende unter einem Dach wohnen und sich gegenseitig helfen. Auch das ist Ehrenamt.

Interview: JOHANNES ALLES