„Ich würde definitiv niemals nach Nürnberg wechseln“

19.12.2011, 22:00 Uhr
„Ich würde definitiv niemals nach Nürnberg wechseln“

© Wolfgang Zink

Herr Schröck, wie viel Geld hätten Sie auf einen 3:0-Sieg des Clubs bei Bayer Leverkusen gesetzt?

Schröck: Keinen einzigen Cent. Ich würde niemals auf den Club setzen, egal in welchem Spiel.

Sind Sie wenigstens ein bisschen beeindruckt?

Schröck: Ich bin überrascht, weil Nürnberg klarer Außenseiter war. Mehr nicht. Von fünf Spielen in Leverkusen gewinnt der Club maximal eines.

Sie haben bisher drei Derbys gespielt, sind einmal ein- und zweimal ausgewechselt worden. Es gab zwei Niederlagen und ein Unentschieden. Das Frankenderby und Stephan Schröck, das ist bislang keine Erfolgsgeschichte.

Schröck: Das ist alles passé. In der Jugend haben wir die Nürnberger mit unserem Jahrgang regelmäßig zerlegt. Davon konnte ich mir bei den Profis auch nichts kaufen.

Wenn man mich hier nicht wegschickt, bleibe ich bis zum Ende meiner Karriere, sagten Sie kürzlich der Bild-Zeitung. Vereinstreue ist eigentlich kein Begriff, den man mit Profi-Fußball in Verbindung bringt.

Schröck: Obwohl ich in Schweinfurt geboren bin, sehe ich mich als Fürther Kind. Egal, was nach dieser Saison passiert, ich bin hier mit dem Herzen dabei. Allerdings habe ich nur etwa zehn Jahre Zeit, um als Fußballprofi ein wenig Geld zur Seite zu legen. Da muss man schauen, wie weit mir der Verein entgegenkommt. Ich habe den Spielball jetzt erstmal abgegeben. Fest steht: Ich will hier bleiben, aber ich kann natürlich nicht für einen Apfel und ein Ei spielen.

Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Man darf davon ausgehen, dass es Angebote geben wird, und man muss kein Weltstar sein, um in der Ersten Liga eine Million brutto zu erhalten. Wie erklären Sie Ihrer Frau, dass Sie trotzdem lieber für einen Bruchteil davon in Fürth bleiben.

Schröck: Das erkläre ich meiner Frau grundsätzlich nicht, weil Sie gar nicht weiß, was ich verdiene. Aber klar, wenn ein ganz dicker Fisch kommt, müssen der Verein und ich reden. Ich gehe aber vorerst nicht davon aus, dass morgen der FC Barcelona anruft.

Noch unwahrscheinlicher ist, dass der Club anruft. FCN-Manager Martin Bader hat in einem Interview mit unserer Zeitung, das morgen erscheinen wird, kategorisch festgestellt: Schröck und der Club – das ginge gar nicht.

Schröck (lacht): Das ginge nur, wenn die mal bei einer Spielervorstellung ein volles Stadion pfeifen hören wollten. Ich würde definitiv niemals nach Nürnberg wechseln.

Die Spieler verstehen sich untereinander wesentlich besser als ein Teil der Fans. Oder nicht?

Schröck: Da gibt es kein Problem. Man trifft sich ja auch mal in der Kneipe oder im Kino. Beispiel Juri Judt. Mit dem habe ich acht Jahre zusammengespielt, der war auf meiner Hochzeit. Das wäre ja doof, wenn ich den nicht mehr kennen würde, nur weil er das Club-Trikot trägt. Aber mit dem Club an sich befasse ich mich so gut wie gar nicht. Da schaue ich lieber, was Paderborn so macht.

Judt hat die Seiten gewechselt. Woher stammt bei Ihnen diese klare Prägung pro Fürth? Als Kind in Schweinfurt waren Sie doch von Club-Fans umzingelt.

Schröck: Als Kind war ich Bayern-Fan. Und wenn die Bayern gegen Nürnberg gespielt haben, war ich halt immer gegen Nürnberg. Später, bei der SpVgg, hatte ich in der B-Jugend mit Heinz Krapf einen absolut eingefleischten Fürther als Trainer. Der hätte mir endgültig den Weg gewiesen, wenn ich damals mit dem FCN sympathisiert hätte.

Die Bundesligamannschaften bestehen in der Regel aus Söldnern aus aller Herren Länder, die heute hier und morgen dort ihre Brötchen verdienen. Braucht der Fußball noch solche Konstanten wie Sie eine sind?

Schröck: Dass hier einer wie der Ertl Erhard 700 Spiele für den Verein macht, das wird es nie wieder geben. Es bekommt der Klub den Zuschlag, der am meisten zahlt. Andererseits wird man heute eben zu einem besonderen Spieler, wenn man diesem Automatismus eine Zeit lang entkommt.

Nochmal nachgehakt: Wie lange können Sie dem Lockruf des Geldes noch widerstehen?

Schröck: Das kann ich hier und heute nicht beantworten. Ich schaue aber nicht nur auf die Summe, die auf dem Gehaltszettel steht, sondern frage mich auch: Habe ich noch Spaß, wenn ich irgendwo einer von 30 tollen Kickern bin und mich womöglich wie das fünfte Rad am Wagen fühle.

Das Zeitfenster für einen großen Vertrag ist mitunter sehr kurz. Ihre Leistungen sind in dieser Saison regelmäßig top. Ist das der beste Stephan Schröck, den es je gab?

Schröck: Rein auf meine fußballerischen Fähigkeiten bezogen, würde ich das nicht behaupten. Es ist aber sicher der professionellste Stephan Schröck, den es je gab. Mir fehlte lange die richtige Einstellung zu diesem Beruf, deswegen habe ich meine ersten drei, vier Jahre als Profi verschenkt. Ich war zufrieden damit, das eine oder andere Mal eingewechselt zu werden.

Sie sind Sohn eines deutschen Vaters und einer philippinischen Mutter und großer Fan von Manny Pacquiao, dem derzeit mit Abstand besten Boxer der Welt. Was imponiert Ihnen so an Ihrem philippinischen Landsmann?

Schröck: Man muss seine Geschichte kennen. Er kam sogar für philippinische Verhältnisse von ganz unten. Den Status gibt‘s in Deutschland gar nicht, so weit unten war das. Heute ist er der Volksheld schlechthin und trotz seines Erfolges und seines Reichtums bodenständig und herzlich geblieben. Ich habe ihn einmal treffen dürfen, und – man kann sich das gar nicht vorstellen – der ist noch fünf Zentimeter kleiner als ich. Jeder liegt ihm zu Füßen, weil er von seinen Prämien regelmäßig 30 oder 40 Prozent für soziale Zwecke spendet und sich auch noch politisch engagiert, um die Armut auf den Philippinen zu bekämpfen. Wenn man so jemanden nicht zum Vorbild haben will, dann will man gar niemandem nacheifern. In einer viel, viel kleineren Dimension versuche ich mehr oder weniger das gleiche wie Pacquiao: Er will für sein Land stehen, ich fürs Kleeblatt.

Was ist für Sie wichtiger: ein WM-Qualifikationsspiel mit den Philippinen, wo sie ein Fußballstar sind, oder ein Frankenderby?

Schröck: Wenn ein Derby ansteht, würde ich mich immer für Fürth entscheiden.

Sie haben neulich mal moniert, die Interviews nach den Spielen seien immer die gleichen. Was würden Sie am Dienstagabend nach dem Schlusspfiff gerne gefragt werden?

Schröck: Wie viel ich trinke nach dem Derby-Sieg.

Und was wäre Ihre Antwort

Schröck: So viel und so lange, bis ich meine Adresse vergessen habe.

 

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