Internationales Figurentheater-Festival: Ticketverkauf startet

24.4.2021, 10:47 Uhr
Internationales Figurentheater-Festival: Ticketverkauf startet

© Mario Hohmann

Figurentheater? Nehmen wir, frank und frei und willkürlich, eine Jahreszahl. Also 1985. Ein bezopftes Handpuppen-Mädchen ruft, nur mal angenommen, seltsame Vokabeln in den Saal, alle großen und kleinen Zuschauer wiehern und drücken dem Drachen die Daumen, der mit der Keule ums Eck kommt. Und immer, wenn die sonderbaren Worte "Pandemie", "Corona" und "Homeschooling" fallen, saust die Drachenkeule hernieder. So wäre das gewesen. Oder?


Öffnungsplan für die Kultur: Warum ist alles so kompliziert?


Nein, natürlich nicht. Figurentheater war schon damals längst nicht mehr der Inbegriff für das, was in putzigen Puppenkisten vor sich ging. Was aber 2021 vor sich geht, war bis neulich völlig undenkbar.

Corona ist ein absoluter Riesenmist. Was die Pandemie jedoch an figurentheatralen Kreativitäts-Ausbrüchen beförderte, ist auch schon wieder auf ganz eigene Weise staunenswert wie erschreckend. "Digitalität ist auf dem Vormarsch", sagt Fürths Kulturamtschefin Gerti Köhn, "dem müssen wir uns auch in der Kultur stellen".

Das tun die Macher des 22. internationalen Figurentheater-Festivals denn auch, und zwar ausnahmslos. Theater als Präsenz-Erlebnis bleibt vorerst ein frommer Wunsch. Doch schon ein flüchtiges Querlesen des Programmheftes fördert die Erkenntnis zutage: Nicht zu fassen, was den 20 Künstlern, Künstlerinnen und Ensembles alles eingefallen ist.

Zäsur 2020

"Eine Reise nach Wohnanien" zum Beispiel. So nennt die Kölner Performancegruppe Pulk Fiktion ihren interaktiven Telefon-Audiowalk, schöner ist der Lockdown eigentlich nie beschrieben worden. Zwei Kinder ab zehn Jahren treten mit einer Reiseführerin eine Expedition durch die heimischen vier Wände an. Es werden Karten gezeichnet, Verstecke aufgesucht, Proviantschränke geplündert, schöne Aussichten bewundert. Tiergeräusche erklingen. Viel wird passieren. Figurentheater 2021.

Seit wenigen Tagen erst steht das Programm, das so oft umgebastelt, umgeworfen, umgepolt wurde, dass die Fürther Festivalkoordinatorin Köhn – und gewiss auch ihre Kollegen aus Erlangen und Nürnberg – gerade das Gefühl hat, von der Drachenkeule gleich mehrfach getroffen worden zu sein.

Im Herbst war der Reigen der analogen Bühnenprogramme eingetütet, begleitet von der Zuversicht, dass im Frühjahr 2021 das Virus ganz bestimmt die Reise nach Nirgendwo angetreten haben würde. Im Januar war jedoch absehbar, das Virus hat keinerlei Fernweh. Doch da lief bereits, sicher ist sicher, seit dem Spätherbst die Ausschreibung unter dem Titel "Zäsur": eine Einladung an die Künstler, das Pandemie-Thema zu beackern, gern auch auf digitalem Weg.

Der Fürther Festival-Plan sah nun vor, Aufführungen wenigstens im Eins-zu-Eins-Rahmen in leer stehenden Läden in der Innenstadt möglich zu machen. Etwa drinnen eine Tänzerin, die sich via Laptop mit einem ebenfalls digital bewaffneten Zuschauer draußen am Fenster zum virtuellen Paartanz getroffen hätte.

Inzidenzwerte sind zu hoch

Oder eine irrsinnig aufwändige Produktion in der Gustavstraße, für die bereits zehn Hausbesitzer gefunden waren. Jedoch hat dicht gedrängtes Publikum, das Senioren zuschaut beim Platznehmen auf Stühlen, die in luftiger Höhe an Fürther Hausfassaden installiert sind, in Zeiten abenteuerlicher Inzidenzwerte nichts verloren.


Auf hohem Niveau: Fürths Inzidenz liegt bei 271,6


Vor knapp vier Wochen schließlich fiel der Beschluss, dass das Figurentheater-Festival erstmals in seiner Geschichte ein rein digitales Vergnügen sein wird. Immerhin, das Projekt der Tänzerin ist geblieben; Viktoria Maier heißt sie, und zum Tanz fordert sie nun via Stream auf.

Gemeinsames Angebot

Wie überhaupt die meisten Formate interaktiv sind, "reines Abfilmen", sagt Köhn, "wollten wir nicht". Das eigene Wohnzimmer soll zum Theaterraum werden, nicht nur für Wohnanien-Touristen. Ein Umstand, den man insofern als vorteilhaft betrachten darf, als nun erstmals auch Figurentheater-Fans aus aller Herren Länder von daheim aus mitverfolgen können, was sich da tut im Städtedreieck Fürth-Erlangen-Nürnberg.

Nachteil: Ein Städtedreieck, wie es in 21 Festival-Ausgaben existierte, gibt es diesmal gar nicht – jedenfalls nicht im Sinne eines je eigenen Profils. Das Fürther Programm zeigte stets einen Hang zu literarischen Stoffen und Familientauglichkeit, 2021 aber kommt ein digitales, also städtegrenz- und themenüberschreitendes Angebot. Vieles – zum Beispiel Christoph Bochdanskys "Ballade vom Maul des Affen" – funktioniert über die Website, anderes als Stream und via Zoom wie die deutsch-türkische Performance "Map to Utopia".


Erlangen: Figurentheater-Festival findet 2021 zunächst digital statt


Und so frisch ist das aktuelle Programm, dass die Macher das Programmheft nicht ein weiteres Mal den Klauen des Reißwolfs überließen, sondern orangefarbene Pfeile platzierten für das, was nun tatsächlich stattfindet.

Alles andere ist aufgeschoben, nicht aufgehoben. Köhn: "Wir versprechen den Künstlern eine Perspektive", unter anderem mit einem Fürther Festival-Wochenende vom 23. bis 26. September. In leer stehenden Läden soll es dann dies geben: Theater, richtiges Theater.

Das Programm und Tickets gibt es unter www.figurentheaterfestival.de

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