Jeder kämpft gegen jeden

13.10.2014, 10:00 Uhr
Jeder kämpft gegen jeden

© Foto: Tim Händel

Das Theater im Kulturkammergut (TKKG) zeigt das Stück über den verunglückten Abend als eine Mischung aus Lustspiel, Farce und Melodram. In der voll besetzten Kofferfabrik erlebt das Publikum, wie jeder gegen jeden kämpft. Die beiden Ehen bröckeln, die Konfliktlinien zwischen den Paaren werden offensichtlich, die Herren stehen beruflich in einem schwierigen Verhältnis zueinander und die Damen können sich sowieso nicht ausstehen.

Astrophysiker Henri, der Hausherr, ist bislang nur mäßig erfolgreich und hofft auf Unterstützung durch den unerwarteten Gast, seinen renommierten Kollegen Hubert Finidori. Dieser soll ihn empfehlen und ihm dadurch zu einer Beförderung verhelfen. Deshalb versucht Henri schon länger, Huberts Gunst zu gewinnen. Doch das gefällt Henris Frau, der hartgesottenen Anwältin Sonja, überhaupt nicht. Sie empfindet ihren Mann als schwächlichen Schleimer, der sich nicht behaupten kann. Hubert Finidori sieht das ähnlich und kann Henri nicht ernst nehmen.

Und dann ist da noch Ines Finidori, die verwöhnte und etwas naive Gattin Huberts, die er immer wieder wegen ihrer fehlenden Bildung anmaßend niedermacht. Wenn sie versucht, sich ins Gespräch zu mischen und Interesse für die Astrophysik zu bekunden, befiehlt er ihr zu schweigen. Stattdessen flirtet Hubert bald mit Sonja.

Während man so bei notdürftigen schnell herbeigeholten Snacks und Wein zusammensitzt, schreit der sechsjährige Sohn der Gastgeber immer wieder aus dem Hintergrund. Das unsichtbare Kind, das mal Kekse und mal Streicheleinheiten fordert, löst Grundsatzfragen über Erziehung und Lebenseinstellung aus, was zu neuen Sticheleien führt.

Zwischendurch verkündet Hubert süffisant, dass ein mexikanischer Wissenschaftler Henris Forschungen zuvorgekommen ist und seine Ergebnisse bereits veröffentlicht hat. Eine bittere Erkenntnis tut sich auf: drei Jahre Arbeit waren umsonst, ohne Erstveröffentlichung kann Henri die Hoffnung auf eine wissenschaftliche Karriere begraben. Einschmeicheln? Nicht mehr nötig. Höflichkeiten? Wozu noch? So bröckelt die Fassade des Anstands immer hemmungsloser.

Regisseur Markus Nondorf lässt sich seine Darsteller in subtilen Gesten und vielsagender Mimik ausdrücken. Er setzt in dieser Inszenierung auf Zwischentöne und vermeidet Slapstick, wobei Nondorf auf solide Schauspieler zurückgreifen kann, die jeden Stimmungswechsel kenntlich zu machen vermögen, ob sie nun angeekelt sind, um Liebe betteln, sarkastisch frotzeln oder servil buckeln.

Frank Strobelt als Henri hält das Team zusammen und organisiert das Pingpong der gepfefferten Dialoge. Am Anfang legt er seine Rolle weich an, um dann langsam stärker zu werden. Seinen Gegenspieler Hubert gibt Karsten Kunde köstlich arrogant und blasiert. Die Ines Finidori wird von Rebecca Gonter als unsichere Frau mit großem Herzen gespielt, die alles wahrnimmt und sich zurückhält, im entscheidenden Moment aber die Wahrheit sagt. Yvonne Waidele stellt die Sonja als Gegenentwurf schlau, hart, erotisch und berechnend dar.

So sehen die Gäste drei verschiedene Versionen desselben Abends, in denen Henri sich langsam vom Waschlappen zum Selbstbewussten steigert und sich emanzipiert, seine Frau Sonja immer wieder versucht, seine Fehler vorzuführen, Hubert den Unausstehlichen gibt und Ines bald nicht mal mehr in ihrem Weinglas Halt findet. Auf die Anmachen von Hubert reagiert Sonja mal bereitwillig, mal zynisch ablehnend. Das Bühnenbild, ganz in Weiß, illustriert die herrschende emotionale Kälte. Ein toller Theaterabend als ungeschönter Einblick in die Bürgerlichkeit.

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