Johnny Cashs Likörchen-Krise

6.9.2016, 16:30 Uhr
Johnny Cashs Likörchen-Krise

© Foto: Marcus Weier

Der Spaß beginnt an einem herrlichen Sommerabend um 19 Uhr. Alle Welt sitzt draußen vor der Tür am Fluss, lässt die Füße baumeln und plaudert. Natürlich bleibt es nicht aus, dass einige Leute ins Wasser gehen. Plötzlich schippert sogar eine Art Badewanne vorbei. Aber als die erste Band zu spielen beginnt, ist das Strandleben vorbei.

Alles drängt nach innen, um Blue Pine Theatre zu hören. Die Nürnberger Lokalmatadore, die unübersehbar viele Freunde eingeladen haben, bringen eine Mischung aus Folk und Rock zu Gehör, die sich als sehr tanzbar erweist. Frontmann Dominik Lang (Gesang, Gitarre) überzeugt durch Bühnenpräsenz und eine flott hüpfende Gitarre. Der Bass kracht, das Schlagzeug kreiselt, die Band federt in den Knien, eine Prise Americana und viel Indie heizen dem hölzernen Raum kräftig ein, die Gäste sind glücklich.

Dann tritt Limboski auf, ein Singer-Songwriter der besonderen Art. Für die Franken wird sein Folkblues mit tiefschwarzen, bitteren Country-Einsprengseln zur Entdeckung des Tages. Der Pole präsentiert eine fast übermenschliche Stimme, die so wandelbar ist, dass am Ende locker fünf Musiker zu singen scheinen, inklusive Frauen, Säufer, Operntenöre, Krakauer Barjazzer und Hillbillies aus dem hintersten Ohio. Auch Johnny Cash klingt durch, als habe er zu viel Likörchen getrunken, Neil Young auf Speed, Nick Cave nach dem Genuss von Kräutermischungen und viele mehr.

Tödliche Liebe

Limboski erzählt kleine Geschichten in seinen Liedern, zum Beispiel von den Schwierigkeiten, heutzutage ein Mann zu sein, vom Leben auf den Krakauer Straßen oder von tödlicher Liebe. Als Ein-Mann-Combo lässt er keine Wünsche offen und ergreift mit seiner Intensität das Publikum.

Den Headliner des ersten Abends markiert eine Band, die ebenfalls von weit her angereist ist: DeSoto Caucus aus Dänemark. Sie zaubern eine groovende Mixtur aus Indie, Country und Americana, die zündet. Komplexe Grooves streicheln coole Gitarren in einem zeitlosen Vintage-Paket. Da werden Abstecher in die Wüste und ans Lagerfeuer unternommen, todschicker Tex-Mex-Flair trifft auf Jazz-Vibes, Bläser und Streicher erzeugen mit üppigen Arrangements einen staubigen Geschmack.

Diese Songs funktionieren als Sound-Tapete ebenso wie als musikalische Fernreise, sie reproduzieren eifrig amerikanische Klischees und verkommen doch nie zur Karikatur, so elegant summen diese Country-Rock-Nummern mit schläfrigem Roots Rock und schummrigem Bar-Jazz vor sich hin. Das Quintett aus Aarhus bringt Glanz an die Rednitz und sorgt dafür, dass die Organisatoren stolz sein dürfen, diese Jungs nach Fürth geholt zu haben.

Mittlerweile ist es so voll, dass die Luft steht und man fürchten muss, Neuankömmlinge würde nicht mehr hineingelassen. „Ausgewählt haben wir einfach, was uns selbst auf Konzerten gefallen hat, ohne große Agenturen einzubeziehen“, erzählt Birgit Kretz vom Verein Kulturort Badstraße. So klingt der erste Tag des Festivals beschwingt aus, der eher den Singer-Songwritern gewidmet war.

Fazit: 300 begeisterte Leute, die Neues entdecken und zugleich höchst entspannt feiern konnten. Das Kultifest hat sich im achten Jahr endgültig etabliert.

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Offenbar ermattet von den Exzessen des vorigen Abends, finden sich am Samstagnachmittag die ersten Gäste nur zögernd ein, frönen lieber der äußeren wie der inneren Befeuchtung durch Rednitzbad und Bier und lassen sich von der Sonne bescheinen. Da hilft auch ein nach hinten verlegter Start nichts; der kanadische Liedermacher C. Ladd, der mit seiner Klampfe zu einer imaginären, vom Band erschallenden Band spielt, kann nur wenige Zuhörer ins Gehäuse locken. Das ist schade, denn seine Diktion ist so gar nicht beschaulich, eher stürmend und drängend, rastlos und ohne Ruh’, geradezu nervös und paranoid.

Stunden später, die Szene hat sich vollständig gewandelt: Garten wie Konzertsaal platzen schier aus allen Nähten, die Veranstalter melden „ausverkauft“, und wer jetzt noch Luft zum Atmen finden will, sucht Unterschlupf in einem der wenigen offenstehenden Ateliers. Unerschrockene hingegen lassen sich von der Band Schubsen den Vorschlaghammer um die Ohren knallen. Krachender nihilistischer Brachialrock, der alle Trommelfelle unter sich begräbt. Auf die Songtexte kommt es nicht an, die gehen im Soundgewitter sowieso verloren, selbst wenn der Sänger dazu auf die Basstrommel springt.

Den musikalischen Höhepunkt hingegen liefert das Duo June Bug aus Lille. June und Beryl treten mit Gitarre, Minisynthesizer, Sound Pads, Miniaturklavier und schönen Stimmen an. Ungewöhnlich für Franzosen, geben sie englischen Songtexten den Vorzug.

Ihr Sound erinnert von Ferne an Velvet Underground; zu irrlichternden bizarren Geräuschen entwickelt sich ein bedächtiger Rhythmus, dann entfaltet sich eine Melodie, an der man sich kaum sattzuhören vermag, weshalb die Singstimme sie sogleich wiederholt und den Hörer in eine Endlosschlaufe verwickelt. Doch der Trance stehen vertrackte Rhythmen entgegen, die vom Band oder livehaftig von der Bühne erschallen. Das erzeugt eine Spannung, die ihresgleichen sucht und die sogar Songs von Leonard Cohen zu einem enigmatischen Hörerlebnis steigert. Ja, June Bug könnte man stundenlang zuhören. Bitte, liebe Junikäfer, kommt bald wieder!

 

Eine Bildergalerie finden Sie unter www.nordbayern.de/fuerth

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