Jüdischer Glaube im Dialog mit der Zeit

23.10.2002, 00:00 Uhr

Die beiden Häuser in Fürth zeigen die Spanne der gestalterischen Entwicklung, die Landauer in seinen wesentlichen Schaffensjahren durchschritt. Schon die Tatsache, dass er den Beruf eines Architekten ergriff, wertet Sabine Klotz als eher ungewöhnlich für jemanden, dessen Familie dem so genannten Landjudentum entstammte. Die Kunsthistorikerin hat Leben und Werk Landauers erforscht und die Ausstellung, die zunächst in anderer Form im Architekturmuseum Schwaben in Augsburg gezeigt wurde, mit gestaltet.

Ist das Haus des Spiegelherstellers Karl Kunreuther in der Kutzerstraße 47 noch ganz der Neuklassik verschrieben (Entstehungszeit 1912/14), so ist die Hirschmann-Villa in der Würzburger Straße 51 Ausdruck jener neuen Architektur, die mit dem Bauhaus ihren bekanntesten Vertreter hat: Ein zweistöckiger Flachbau mit klar gegliedertem kubischen Baukörper. „Und dennoch ist im Innern die Raumaufteilung ganz der damaligen Sozialstruktur verhaftet“, erläutert Sabine Klotz, wenn sie auf die winzigen Zimmer für die Bediensteten hinweist. Ein nachgebautes neues Modell ist in der Ausstellung neben Bauzeichnungen zu sehen.

Die beiden großen Themen sind die Synagogen in Augsburg und Plauen. Auch hier ist der Zeitsprung im Werk Landauers augenfällig. Bei beiden Bauwerken lag dem Architekten allerdings daran, zeitgemäß Neues zu schaffen. Die Augsburger Synagoge, die er zusammen mit seinem Münchener Kollegen Heinrich Lömpel 1913 entwarf (1917 vollendet), fiel in die Zeit, als die Frage nach der jüdischen Identität verstärkt in den Gemeinden gestellt wurde.

So stellt sich das Ergebnis als „jüdische Renaissance“ dar, indem die ganze Bandbreite orientalischer und spätantiker Ornamentik aufgegriffen wird. Der Zentralkuppelbau nimmt die Kreuzkuppelkirche ebenso als Anregung wie die Raumfolgen des Salomonischen Tempels. Ungewöhnlich für eine Synagoge das figürliche Bildprogramm, das ebenfalls Spurensuche betrieb.

Von Nazis zerstört

Während die Augsburger Synagoge den Naziterror überstand und inzwischen wiederhergestellt ist und von der dortigen Israelitischen Kultusgemeinde auch genutzt wird, fiel die Synagoge in Plauen bereits 1938 den brauen Horden zum Opfer.

Diesen kühnen Bau entwarf Landauer 1928. In seiner strengen Kastenform gibt allenfalls das Fenster mit dem Davidstern das Zeichen, wofür das Gebäude bestimmt ist. Ebenso modern wie die klaren Formen auch das Material: Stahlgerüst und Beton. Auch das Innere, wie es Fotos und ein großes Modell erkennen lassen, war ganz der Neuen Sachlichkeit verpflichtet.

Fritz Landauer, der seine Aufträge überwiegend von jüdischen Bürgern und Gemeinden erhielt, sah in seiner Architektur gerade den Ausdruck dafür, dass die Menschen auch hierin die Sprache ihrer Zeit sprechen sollten. Moderne Architektur und „alter“ Glaube waren für ihn kein Widerspruch. Den Stil, den er für Plauen gefunden hatte, setzte er mit Entwürfen für Synagogen in Wien oder Hamburg fort.

Am Leben von Fritz Landauer lässt sich nicht nur Architekturgeschichte ablesen, sondern sie illustriert zugleich das Schicksal der Juden in der Zeit vom Kaiserreich bis in die Bundesrepublik. Von den Hoffnungen nach voller gesellschaftlicher Anerkennung über die bleibende Distanz bis zur totalen Missachtung und Vernichtung und schließlich der nur mühsamen Wiederanerkennung.

Landauer bereitete sein Exil in London vor, wohin er mit seiner Familie schließlich 1937 emigrierte. Dort wurden zwei Synagogen nach seinen Entwürfen gebaut, doch konnte er nicht mehr so richtig Fuß fassen und lebte vor allem von Entwürfen von Grabsteinen. Zwei Jahre lang schlug er sich nach dem Krieg mit deutschen Behörden rum, bis er endlich als verfolgt anerkannt wurde und eine Entschädigung erhielt, die ihm für die letzten Jahre das Auskommen sicherte. Er starb 1968 in London.

Als Fürther Eigenleistung der Ausstellung ist die Dokumentation zur Familiengeschichte des einen Bauherren, des Spiegelfabrikanten Karl Kunreuther, als Andockung im Museum zu sehen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Jutta Fleckenstein hat in Archiven und im Dialog mit den in New York lebenden Nachkommen die Geschichte ausgegraben und mit Dokumenten illustriert. MARTIN MÖLLER

„Der Architekt Fritz Landauer — Synagogenbau und Projekte in Fürth und Nürnberg“, Jüdisches Museum Franken, Königstraße 89, bis 2. März 2003. Es finden dazu eine Exkursion nach Augsburg (27. Oktober) und drei Vorträge in den folgenden Monaten statt.