Keine Angst vor Mathe

3.12.2019, 16:00 Uhr
Keine Angst vor Mathe

© Isabel Pogner

An der Pestalozzi-Grund- und Mittelschule gibt es Kinder, die haben viele, sehr viele Fragen in diesem Fach. Sie besuchen deshalb einmal pro Woche nach Schulschluss freiwillig Mathe-Kurse.

Das Besondere daran: Es handelt sich bei ihnen keineswegs um die Klassenbesten, ganz im Gegenteil: Sie sind Teil eines Lernförderprogramms, das benachteiligte Kinder unterstützen soll – schulisch, besonders in Deutsch, Mathe und Englisch, aber auch sozial.

"Es geht um die Schüler, die sonst durch die Ritze fallen", sagt Hildegard Grillmeyer. Sie ist die Leiterin des Projekts "Lern:Förderung" und Mitarbeiterin des Zentrums für Lehrerinnen- und Lehrerbildung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).

Besonders wichtig ist ihr, dass alle beteiligten Parteien Nutzen aus dem Vorhaben ziehen. Denn natürlich sollen die Schüler vorankommen – doch auch die Lehramtsstudierenden, die die Kurse geben, lernen so bereits in den ersten Semestern den Umgang mit ihren späteren Schützlingen.

Michael Wyschkon ist genau aus diesem Grund dabei. Der 30-Jährige stellte dabei schnell fest: Die Kinder halten es mit Einstein, sie fragen ihm Löcher in den Bauch. Dabei geht es nicht nur um Gleichungen und Brüche: "Mich hat mal ein Junge gefragt, was eigentlich Magnesium ist. Also haben wir uns in einer Stunde eben über Ernährung unterhalten."

Wyschkon studiert Lehramt im dritten Semester und ist, wie schon im Vorjahr, für Mathematik gebucht. Vor seinem ersten Kurs Ende November wurde der 30-Jährige von seinen potenziellen Schützlingen auf dem Gang der Schule begeistert empfangen: "Bitte, haben wir Sie als Mathelehrer? Ich will unbedingt zu Ihnen!"

Schon in den Wochen davor hatten die angehenden Pädagogen Zeit, die Schüler zu beobachten und jene für das Projekt vorzuschlagen, die im regulären Unterricht Probleme offenbarten. Und das waren einige, sagt Rektor Thomas Bauer. Ein guter Teil der Jugendlichen komme aus einem benachteiligten Familienumfeld: "Da gibt es daheim keine Hilfe. Auch nicht, wenn es um einfache Dinge wie Pünktlichkeit geht."

Das bekommt auch Wyschkon in seiner ersten Stunde zu spüren: Zum Gong sitzen lediglich zwei von vier Kursteilnehmerinnen vor ihm: Fiona und Sudenaz, beide zwölf Jahre alt. Fiona hat von sich aus beschlossen, den Kurs zu besuchen, sagt sie. Eigentlich findet sie Mathe gar nicht schlimm: "Ich brauche nur jemanden, der nochmal mit mir durchgeht, ob alles stimmt."

13 Kurse

Die Mädchen bilden einen von aktuell 13 Kursen an der Pestalozzi-Schule. Zwei weitere sind geplant, dafür fehlen aber noch Studierende, die sie übernehmen möchten, sagt Grillmeyer. Das Lehrprojekt selbst existiert seit fünf Jahren und bietet an sieben Schulen Unterstützung – fünf davon sind in Fürth: außer der "Pesta" die Schickedanz-Mittelschule, die Grundschule Hans-Sachs-Straße, die Mittelschule Seeackerstraße und die Otto-Seeling-Mittelschule.

Fürth ist deshalb so stark vertreten, weil die Kommune das Projekt besonders unterstützt, erklärt Horst Kayser von der ebenfalls eingebundenen Schmid-Kayser-Stiftung. Sie hat zum Ziel, soziale und fachliche Kompetenzen von Schülern in der Region zu stärken. Auch die Zusammenarbeit mit der Uni Erlangen laufe gut.

Dennoch: Lernförderungen an weiteren Schulen anzubieten sei vorerst nicht möglich, das übersteige die finanziellen Möglichkeiten. "Das kostet alles einen Haufen Geld", sagt Kayser. Die Studierenden müssen bezahlt werden und auch die Bürokratie erfordere viel Einsatz. Deswegen wünscht sich Kayser, dass sich bald weitere Stiftungen am Projekt beteiligen.

Sudenaz und Fiona haben schon jetzt reichlich davon profitiert, jede Stunde bringt ihnen mehr Sicherheit. "Ich bin gut im Verstehen, aber ich muss eben mehr üben", sagt Fiona. Und sollte es doch einmal haken, hilft Albert Einstein mit einer anderen Weisheit weiter: "Mach’ dir keine Sorgen über deine Schwierigkeiten mit der Mathematik. Ich kann dir versichern, dass meine noch größer sind."

Keine Kommentare