Kevin Kühnert: Ein Hoffnungsträger, der keiner sein will

26.7.2018, 21:00 Uhr
Kevin Kühnert: Ein Hoffnungsträger, der keiner sein will

© Foto: Thomas Scherer

Auf der Straße würde man ihn wahrscheinlich nicht erkennen. Kein Anzug, kein lang eingeübtes Lächeln, sobald eine Kamera auftaucht, und schon gar kein teurer Dienstwagen. Stattdessen kommt Kevin Kühnert – Juso-Vorsitzender und der wahrscheinlich prominenteste Politiker unter 30 Jahren in Deutschland – in kurzer Hose, Sneakern und Hemd am Montagabend zur Paul-Metz-Halle in Zirndorf geschlendert. Zumindest rein optisch nicht wirklich der Prototyp eines Politikers – und wahrscheinlich gerade deshalb für viele ein Hoffnungsträger.

Das wird auch in Zirndorf klar: Kurz nach halb acht lagen die ausgeteilten Flyer noch weitgehend unberührt auf den Plätzen, doch knapp 20 Minuten später saßen die Zuschauer sogar auf dem Boden, weil es keine freien Stühle mehr gab. Rund 250 Menschen sind gekommen, um den Shootingstar der Sozialdemokraten zu sehen. Auf die SPD ist Verlass – zumindest in dieser Hinsicht.

Galionsfigur für politische Linke

In anderer eher weniger: Auf 13, 14 Prozent sind die bayerischen Sozialdemokraten in den Umfragen abgerutscht, bei vielen Bürgern hat die Partei vorerst ihr Vertrauen verspielt. "Ich würde ja wirklich gerne SPD wählen, aber . . ." ist einer der häufigsten Sätze, die Kühnert in seiner bislang kurzen Amtszeit – er folgte im November 2017 auf Johanna Uekermann – an der Spitze des SPD-Nachwuchses zu hören bekommt. Kühnert will sich um dieses Aber kümmern, auch, weil es ihn selbst oft beschäftigt. In wenigen Monaten ist er zur Galionsfigur der politischen Linken – nicht nur in der SPD – geworden. Hinter ihm versammeln sich die Mitglieder, für die die SPD zu weit weg von der linken Mitte und den Bürgern zu nah an die CDU gerückt ist.

Dafür setzt Kühnert einiges in Bewegung: Als die Genossen über den Eintritt in die Große Koalition abstimmten, stand der Juso-Chef an der Spitze der Gegenkampagne. Diesen Kampf hat er – trotz 12 000 Nein-Stimmen – zwar verloren, dafür wurden vier Leitungsgruppen erschaffen, in denen die programmatische Zukunft der Partei vorbereitet werden soll. Auf diesem Weg will die Parteispitze auch die Meinung der Mitglieder einbinden. "Die Ungeduld ist groß. Aber es ist gut, dass wir uns ein bisschen Zeit lassen", so Kühnert. Bis jetzt seien Veränderungsprozesse in der SPD immer "im Durchhechelverfahren durchgezogen worden, bis am Ende irgendjemand ein schlaues Papier erstellt hat". Das werde es dieses Mal nicht geben. "Das Ganze ist keine Animationsveranstaltung, in dem der Parteivorstand etwas vortanzt und alle anderen nachtanzen", so der Nachwuchspolitiker.

Stolz ist er auf die Frage "Was kommt nach Hartz IV?", die es in die Gruppen geschafft hat. "Das klingt banal, heißt aber, dass es etwas Neues geben kann und nicht die 28. Abänderung kommt, die dann schöngequatscht wird." Es sind solche Positionen, für die seine Zirndorfer Zuhörer Kühnert bewundern. Ihm gelingt es, komplexe grundsätzliche politische Überzeugungen und Ideen mit verständlichen Alltagsproblemen zu verknüpfen und – politikeruntypisch – weitgehend phrasenfrei zu erklären.

Und genau hier wird es paradox: Denn immer wieder erklärt der Juso-Chef, dass glaubwürdige Politik in Zukunft von Gruppen gemacht und von Ideen gelenkt werden solle – und nicht mehr von Einzelpersonen. Zumindest in diesem Punkt haben seine Fans nicht wirklich aufgepasst.

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