Klage der GEW: Lehrer setzen Staatsregierung unter Druck

21.11.2020, 11:00 Uhr
Klage der GEW: Lehrer setzen Staatsregierung unter Druck

© Foto: Hans-Joachim Winckler

So findet es Sandra Schäfer, Vorsitzende des Nürnberger Lehrer- und Lehrerinnenvereins NLLV, wenig hilfreich, dass die Politik das Abstandhalten predige, Lehrkräfte, Kinder und Jugendliche aber in vollen Klassenzimmern beieinander seien. Wegen der hohen Infektionszahlen, so Schäfer, werde der Präsenzunterricht "gerade mit gewaltigen Bauchschmerzen umgesetzt".

Die Montessori-Schule Herzogenaurach hat Brandbriefe an Ministerpräsident Söder geschickt. Darin bittet sie darum, individuell entscheiden und etwa auf Wechselunterricht umstellen zu dürfen. Schulen seien "aktuell kein sicherer Ort", heißt es in den Briefen unter anderem.

Und mit Verweis auf Firmen und Unis, die längst auf Homeoffice oder hybrides Unterrichten setzen, wird die Frage aufgeworfen: Wie soll man – trotz Lüften, Masken, festen Gruppen – bei 27 Kindern im Raum sicheres Unterrichten gewährleisten?


Corona in Fürth: Inzidenzwerte steigen weiter


Der Fürther Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Claus Binder, klagt: "Wir fühlen uns von unserem obersten Dienstherrn im Stich gelassen." Das Kultusministerium komme "seiner Fürsorgepflicht nicht nach". Sonja Schultheis vom Kreisvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW, bestätigt: "Unser Arbeitgeber stellt uns nicht einmal Masken zur Verfügung."

Sie und ihre Kollegen statteten sich auf eigene Kosten aus, wegen steigender Infektionszahlen zunehmend mit FFP-2-Masken. Die partikelfilternden Masken schützen, anders als normale Mund-Nasen-Bedeckungen, Träger und Gegenüber, erschweren aber das Atmen.

Wegen der Aufsichtspflicht: Kaum Zeit für Pausen

Laut Schultheis fehlen vielen Lehrern Momente der Ruhe. Ein Beispiel: An der Schwabacher Schule, wo sie selbst unterrichtet, lässt das Abstandsgebot nicht mehr zu, dass alle 400 Grund- und Mittelschüler ihre zwei Pausen gleichzeitig nehmen. Die Auszeiten wurden zeitlich entkoppelt, müssen teils im Klassenzimmer verbracht werden. Das sei nur mit viel Personalaufwand machbar: Statt zweimal müssten Lehrkräfte nun siebenmal pro Woche Aufsicht führen. Da bleibe kaum Zeit fürs Essen, den Toilettengang oder ein wenig Entspannung.

Viele Kollegen seien erschöpft, in Furcht vor einer Ansteckung und unzufrieden, sagt Binder, Schulleitungen drohten "zusammenzubrechen". Binder, selbst Rektor an der Mittelschule Soldnerstraße, berichtet von Telefonaten mit besorgten und verärgerten Eltern, von Vertretungen von Kollegen im Kranken- oder Quarantäne-Stand – und vom nervenzehrenden Umgang mit Vorschriften, die sich laufend ändern.

So sah ein Stufenkonzept ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern den Mindestabstand von 1,50 Metern und somit Klassenteilungen an Schulen vor. Als in Fürth die Corona-Ampel auf Rot sprang, habe das Gesundheitsamt das auch so angeordnet, in den Schulen wurde es entsprechend kommuniziert.

Doch schon tags darauf habe es geheißen, es bleibe beim Präsenzunterricht. Eine Aktion, die alle Beteiligten verunsichert habe: Pädagogen, Eltern, Schüler. "Und aus der Verunsicherung wurde Empörung", ergänzt Schultheis, schließlich könnten Lehrkräfte und Schüler dem Klassenzimmer nicht entfliehen.

Viele Lehrer wünschen sich ihr zufolge den geteilten Unterricht. An Schultheis’ Schule wurde ein Schichtmodell mit einem Unterrichtsbeginn morgens und einem am späten Vormittag vorbereitet. So käme jedes Kind täglich zur Schule, wenn auch für weniger Stunden, in den kleineren Gruppen ließen sich Lücken aus dem ersten Lockdown gut aufarbeiten.

Aktuell befinden sich in Fürth 613 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne, im Landkreis 297. Hinzu kommen 52 (Fürth) bzw. 33 (Kreis) Lehrkräfte.

Die GEW verklagt nun den Freistaat. Sie argumentiert, das Robert-Koch-Institut rate ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 zu verkleinerten Klassen. Werde dieser Wert, wie zurzeit in Stadt und Landkreis Fürth, um das Vier- bis Fünffache überschritten, bestehe "sehr konkreter staatlicher Handlungsbedarf für den Gesundheitsschutz an Schulen". Die Untätigkeit des Kultusministeriums sei "grob fahrlässig".

Die Klage im Wortlaut finden Sie hier.

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