Mehr Hochwasserschutz gewünscht

Klimawandel: Kehrtwende beim Fürther Reichsbodenfeld?

6.8.2021, 06:00 Uhr
Klimawandel: Kehrtwende beim Fürther Reichsbodenfeld?

© Foto: Wolfgang Händel

Das wäre vor den vernichtenden Flutereignissen hierzulande wohl anders gelaufen: Der lang vorbereitete Bebauungsplan "278 d Dambach West" könnte jetzt abgesegnet, die Basis für den Baustart geschaffen sein. Doch soweit ist es nicht. Zu große Bauchschmerzen hatten viele Lokalpolitiker vor allem beim Hochwasserschutz. Die einen sehen nun die Chance zu einem historischen Wurf, die anderen fürchten langwierige Verzögerungen.

Der Bebauungsplan für das Reichsbodenfeld datiert bis ins Jahr 1964 zurück. Er sieht die Errichtung von rund 300 Wohneinheiten zwischen Südwesttangente, Breslauer Straße und Beethovenstraße vor.

Klimaneutrale Versorgung von Dambach West

Erfreulich und in Fürth bisher einmalig: Erstmals soll ein Wohngebiet klimaneutral mit Strom und Wärme versorgt werden. Ein Konzept von Infra, Verwaltung und den drei größten Investoren sieht unter anderem den Einsatz von Photovoltaik-Modulen auf Dächern und die Erweiterung eines Blockheizkraftwerks vor, in dem Biomethan und Holzpellets sowie bei Spitzenlasten auch Erdgas verfeuert werden. Das Energiekonzept ist unumstritten, der Stadtrat hat es einstimmig abgesegnet.

An diesem Punkt sehen die Grünen eine einmalige Chance. Wenn Fürth einerseits den CO2-Ausstoß niedrig hält und andererseits die Folgen des Klimawandels eindämmt, so Stadtrat Harald Riedel, könne die Stadt bewusst "ein klimafestes Baugebiet" schaffen.

Fakt ist: Aufgerüttelt von der Jahrhundertflut im Westen der Republik und von den Überschwemmungen in der Region drängten verschiedene Parteien auf mehr Schutz vor Hochwasser im Reichsbodenfeld. Fakt ist aber auch: Ein vom Baureferat präsentiertes Gutachten in puncto Überflutungsnachweis kommt zu dem Schluss, dass bei Starkregen "keine erheblichen negativen Folgen" zu erwarten sind, weder für die Neubebauung noch für den Bestand. Den Berechnungen liegt, wie der Gesetzgeber fordert, ein Hochwasser zugrunde, wie es alle 20 Jahre vorkommt.

Das aber tröstet nicht jeden. Bewohner der benachbarten, früheren Offizierssiedlung haben nach Niederschlägen schon jetzt öfter Probleme mit Wasser. Sie befürchten, dass eben doch mit negativen Folgen zu rechnen ist, die sich – siehe Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen – im Handumdrehen auswachsen könnten.

Auch die Grünen argumentieren: Regenereignisse seien so unberechenbar geworden, dass die gesetzliche Mindestanforderung – das besagte 20-jährliche Hochwasser (HQ 20) – "von der Realität überholt wurde". Sie fordern Neuberechnungen.

Welches Extremhochwasser?

In der Stadtratssitzung gab Baureferentin Christine Lippert zu bedenken, man könne zwar über die gesetzliche Vorgabe hinausgehen. Doch bringe das unter Umständen erhebliche Kosten und Verzögerungen mit sich. Die Rede war von Jahren, falls das Verfahren erneut in die Auslegung samt Bürgerbeteiligung ginge.

Auf Lipperts Frage, welche Art von extremem Hochwasser man denn berücksichtigen solle, schwirrten die Vorschläge nur so durch den Saal: 30-jährliches, 50-jährliches, 100-jährliches Hochwasserereignis.

"Dann sagen’S gleich, Sie wollen einen Baustopp für Fürth – HQ 100 plus Meteoriteneinschlag", reagierte Oberbürgermeister Thomas Jung ungehalten. Das Hochwasser sei sicher ein Thema, die Wohnungsnot aber auch. "Es muss halt noch bezahlbar sein." Ein Ja zum Bebauungsplan, stellte der OB fest, "wäre schön gewesen", doch sehe er keine Mehrheit.

Die Verwaltung muss nun bis zum Herbst eine neue Entscheidungsgrundlage erarbeiten. Sie wird mit dem Gutachterbüro reden, mit den Fraktionen, den Bauträgern. Es wird um Zisternen, Rigolen und andere Vorkehrungen gehen, die man treffen kann, um nach Niederschlägen möglichst viel Wasser am Ort versickern zu lassen.

Neben Hochwasserschutz: Quote für sozialen Wohnungsbau vermisst

Es wird zu klären sein, wie aufwendig neuerliche Hochwasserberechnungen wären und welche Folgen sie im Fall einer Umsetzung für das Projekt hätten. Und: Es gilt, mit den drei großen Bauträgern ESW, Mauss und BPD, eine Quote für sozialen Wohnungsbau festzuzurren. Die, bekannte der OB, vermisse nun auch er. Erwünscht sind mindestens 20 Prozent.

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