Kritik an Fürths OB: "Sie spalten die Gesellschaft"

14.8.2018, 19:04 Uhr
Kritik an Fürths OB:

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Bei einem Besuch von SPD-Chefin Andrea Nahles in Fürth hatte er gegenüber Journalisten aus ganz Deutschland gesagt, nicht Flüchtlinge seien ein Problem, sondern die "gezielte Armutszuwanderung" aus Osteuropa, die – Stichwort Kindergeld – mit einer "Ausbeutung der deutschen Sozialsysteme" einhergehe. In der Fürther Innenstadt, so Jung, häuften sich die Beschwerden über Familien aus Rumänien oder Bulgarien, die in heruntergekommenen Häusern lebten und deren Kinder nachts noch auf den Straßen lärmten.

Ulrich Schönweiß, Stadtrat der Linken in Fürth, zeigt sich dennoch verwundert: "Ein Oberbürgermeister sollte wissen, dass Kindergeld ohnehin vom Jobcenter angerechnet wird. Auch bei Aufstockern wird es nicht zusätzlich gezahlt, wie der OB suggeriert." Zudem irritiert Schönweiß, dass der Fürther Ordnungsdienst, der für sein schnelles Eingreifen bekannt sei, "offenbar nicht mit lärmenden Kindern zurechtkommt".

Niklas Haupt, Direktkandidat der Linken für die Landtagswahl, hält die Debatte für verlogen: "Wenn es um billige Pflegerinnen, um günstige Handwerker geht, dann kommen osteuropäische Arbeitskräfte gerade recht. Dass diese in Bruchbuden leben müssen, hat bisher niemanden interessiert. Aber bei Sozialleistungen wird schnell Betrug unterstellt."

Haupt zufolge ist es Aufgabe der Politik und der Kommune, dafür zu sorgen, dass alle Menschen nach Mindestlohn bezahlt werden und niemand in "Schrottimmobilien" leben müsse. "Statt diese Probleme anzugehen, bedient sich Jung des Stigmas der lärmenden Sinti und Roma und schürt Misstrauen gegenüber osteuropäischen Zuwanderern. Ich finde das billig, und es verschärft die Spaltung der Stadtgesellschaft", sagt Haupt.

"Nur die Wahrheit gesagt"

"Tief besorgt" zeigt sich der Landeschef des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Erich Schneeberger. Selbstverständlich müsse ein möglicher Missbrauch von Sozialleistungen ermittelt und geahndet werden, sagt er, wirft Jung allerdings vor: "Durch die gezielte, an der Abstammung festgemachte Kennzeichnung machen Sie die Angehörigen der Minderheit zur alleinigen Ursache der von Ihnen angesprochenen Probleme."

Die Minderheit der Sinti und Roma werde zum "Sündenbock", was die Gefahr weiterer Stigmatisierung, "schlimmstenfalls sogar von Gewalt" gegen sie berge. Jung müsse aus zahlreichen Kontakten mit Fürther Sinti wie auch mit dem Landesverband wissen, dass die seit Jahrhunderten in der Stadt lebenden Sinti seit jeher deutsche Staatsbürger seien, ihren Lebensmittelpunkt in diesem Land hätten und somit auch "keine Sozialleistungen ins Ausland transferieren". Sinti jedenfalls seien sicherlich nicht für die von Jung beklagte Zunahme nächtlichen Lärms verantwortlich. Schneeberger: "Wider besseres Wissen diskreditieren Sie mit diesen Aussagen alteingesessene Bürger Ihrer Stadt."

Natürlich, erwidert der Rathauschef, seien die seit Generationen ansässigen Sinti und Roma ein selbstverständlicher Teil der Bürgerschaft. Zudem liege es ihm fern, "ethnische Minderheiten zu diskriminieren". Aber: Er habe eine Situation beschrieben, die in Fürth derzeit Sorgen bereite und für die Lösungen gefunden werden müssten. Es könne nicht angehen, dass Schleuser- und Schlepperbanden die bittere Armut dieser Menschen ausnutzen. Hier sei die Bundespolitik ebenso gefordert wie die EU. Eine Armutszuwanderung in der EU ist für Jung inakzeptabel. "Man muss in der Politik auch Wahrheiten aussprechen", beharrt er "sonst kann man es gleich lassen."

Die Höhe des Kindergelds nach den Lebenshaltungskosten der jeweiligen europäischen Staaten zu bemessen, bleibe für ihn "ein Gebot der Gerechtigkeit".

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