"Kultur vor dem Fenster" breitet sich aus

1.7.2020, 08:05 Uhr

© Foto: Hans-Joachim Winckler

"Ausbreiten" ist ein ungeliebtes Verb mit beängstigendem Nachklang geworden. Muss aber nicht sein. Richtig gut klingt doch zum Beispiel ein Satz wie: Marc Vogels tolle Idee breitet sich aus und hat inzwischen auch München erreicht. Der Fürther, den viele als Gaukler, Artist und Feuerkünstler kennen, hat ein Mittel gegen den Krisen-Blues gefunden und das bringt in diesen veranstaltungslosen Corona-Zeiten Künstler und Publikum zusammen.

"Kultur vor dem Fenster" (die FN berichteten) nennt sich der Geistesblitz, den Vogel gemeinsam mit Katja Lachmann angezettelt und umgesetzt hat. Damit wurde Fürth zur ersten Stadt in Deutschland, in der trotz Ausgangsbeschränkungen Kunst wieder live erlebbar war, weil die Auftritte gebucht werden können und die professionellen Künstlerinnen und Künstler nun in Hinterhöfen, vor Balkonen oder Fenstern auftreten. Dank der neuen Lockerungen, die Feiern mit begrenzter Teilnehmerzahl möglich machen, gesellt sich zu "Kultur vor dem Fenster" seit neuestem zusätzlich "Kultur im kleinen Kreis".

"Großveranstaltungen sind ja noch nicht möglich, aber private Feiern mit bis zu 50 Gästen in Innenräumen und 100 im Freien mit den bekannten Sicherheitsregeln sind erlaubt", erklärt Marc Vogel. "Mein Traum ist, dass nun auch möglichst viele freiberufliche Künstlerinnen und Künstler für Feste im kleinen Kreis gebucht werden." Das sei nicht nur ein ganz besonderes Erlebnis, sondern zugleich ein Akt der Solidarität mit all denen, die seit Wochen wegen der Absagen kein Einkommen mehr haben.

Längst gibt es das Angebot nicht nur in der Stadt und dem Landkreis Fürth. Inzwischen haben sich andere Städte angeschlossen, dazu gehören zum Beispiel Nürnberg, Erlangen, Augsburg, Esslingen am Neckar oder Landshut. Und ganz neu: Auch München macht mit. Publikum und Kunst kommen im Internet über die Seite www.kultur-vor-dem-fenster.de zusammen. Hier präsentieren sich alle teilnehmenden Akteure, die für Auftritte vor Ort – ohne Vermittlungsprovision – direkt gebucht werden können. Der Service ist innerhalb der auf der Website gelisteten Städte mit den jeweiligen Behörden abgeklärt.

"Wir haben in Zusammenarbeit mit Ordnungs- und Kulturamt, sowie der Polizei, zunächst für Fürth ein Regelwerk ausgearbeitet, das die Live-Auftritte möglich macht", erklärt Vogel. "Dieses Regelwerk dient als Beispiel für andere Städte und Landkreise." Denn das Projekt soll noch weiterwachsen – gerne auch über Bayern hinaus. Weißenburg und Abensberg werden bald dazu stoßen, andere Kommunen haben Interesse signalisiert.

Für Marc Vogel, der vor knapp elf Jahren auch den beliebten Fürther Mittelaltermarkt im Advent ins Leben rief und seither organisiert hat, ist die Entwicklung von "Kultur vor dem Fenster" zwar einerseits eine Erfolgsstory, aber: "Es ist nach wie vor traurig, wie schlecht viele Künstler derzeit da stehen."

Solo und mit seiner vielseitigen Gauklertruppe "Un poco loco" hat Vogel selbst mittlerweile eine Reihe von Auftritten in Hinterhöfen ("tolle Akustik"), vor Balkonen und Fenstern absolviert und weiß: "Es macht sagenhaft Spaß und die Atmosphäre ist unglaublich schön." Mehr noch: "Ein Publikum, das so dankbar ist, habe ich in 20 Bühnenjahren noch nicht erlebt." Er staunt nicht zuletzt über den Effekt, den die Kinderprogramme, die auch gebucht werden können, haben: "Viele Eltern sind unheimlich froh über Abwechslung, weil sie sagen, dass ihre Kinder inzwischen nicht mal mehr Lust haben, vor dem PC zu sitzen."

www.kultur-vor-dem-fenster.de

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