365-Euro-Ticket

Landkreis Fürth: Wie kann der ÖPNV mehr Fahrt aufnehmen?

16.10.2021, 21:00 Uhr
Landkreis Fürth: Wie kann der ÖPNV mehr Fahrt aufnehmen?

© Foto: Thomas Scherer

Am Tag der Sternfahrt des Bündnisses "5-15-365 ÖPNV für alle im Landkreis Fürth", als sich Ende vergangener Woche gut 40 Unterstützer der Initiative zum Landratsamt Zirndorf via Bus aufmachten, hatte Landrat Matthias Dießl keine Zeit. Im kleinen Kreis haben die Protagonisten es jetzt nachgeholt, den Erfahrungsbericht über den zweiwöchigen Nutzercheck zum ÖPNV im September persönlich beim Landrat vorbeizubringen.

Dann aber nahm er sich eineinhalb Stunden Zeit, um mit Marlene Herrmann, Hans Klinner, Christian Löbel und Felizitas Handschuch über Schwachstellen im öffentlichen Netz und die Bündnis-Ziele, ein 5-Euro-Tagesticket, ein 15-Euro-Monats-Ticket und ein 365-Euro-Jahresticket für den Landkreis aufzulegen, zu diskutieren. Konsens dabei: Die Anbindung entlang der Hauptachsen Richtung Fürth und Nürnberg sowie die Buslinien zwischen den drei Städten Oberasbach, Stein und Zirndorf sei "so schlecht gar nicht".

Strecken dünnen aus

Hier funktionierten auch die Querverbindungen, die, je weiter raus aufs Land es geht, jedoch stark ausdünnten. Sie, so bestätigte Dießl, seien durchaus entwickelbar. "Nur wenn die Nachfrage zu gering ist, um den Ausbau zu rechtfertigen, muss sich der Landkreis die Frage gefallen lassen, ,warum lasst ihr da einen leeren Bus fahren?‘. Wir gehen schließlich mit öffentlichen Geldern um."


Wie gut ist der öffentliche Nahverkehr im Landkreis Fürth?


Auf eine stark vereinfachte Gleichung gebracht, lässt sich der Landkreis seine Buslinien 7 Millionen Euro im Jahr kosten, gegenzurechnen sind 3,8 Millionen Euro aus den Ticket-Einnahmen. Jedes Jahr steht die Landkreis-Kasse für ungedeckte Kosten in Höhe von 2,5 bis 3 Millionen Euro gerade.

Schlechte Taktung, lange Umstiegszeiten oder ein Zickzack-Kurs zum Ziel, der unverhältnismäßig hohe Preise nach sich ziehe, wenn mehrere Tarifzonen passiert würden und aus einer Zwei-Euro-Fahrt auch mal ein 7,30-Euro-Ticket werde, nannten die 365-Euro-Ticket-Aktivisten unter anderem als Kritikpunkte. Im Extremfall, das zeigte einer der Erfahrungsberichte, müsse man sich bei einer Durchquerung des flächenkleinsten Landkreises in Bayern sputen, um noch am gleichen Tag wieder nach Hause zu kommen.

Die Stellschraube, an der sich am leichtesten drehen lässt, ist nach Ansicht von Felizitas Handschuch, die den Nutzercheck initiiert hatte, der Preis. Der sei zu teuer, die Tarifstruktur zu wenig durchschaubar. Mit dem 365-Euro-Ticket würden sich diese Probleme erledigen.

Dießl sicherte zu, "wir werden uns ihre Berichte ganz genau anschauen". ÖPNV für alle sei auch für ihn persönlich Programm. Ihm gehe es darum den "Modal Split", also den Anteil der verschiedenen Fortbewegungsarten, zu verschieben. Mit dem Wert von 10 Prozent aller Wege, die über den ÖPNV zurückgelegt werden, "stehen wir unter allen Landkreisen im VGN-Gebiet an der Spitze", sagte er. Allerdings werde es ganz ohne Auto auf dem Land nie funktionieren. Erstrebenswert wäre es für ihn, könnte sich zumindest der Zweitwagen in den Familien erübrigen. "Wir müssen die Menschen für den ÖPNV gewinnen, wir können niemanden verpflichten, umzusteigen." Der Landkreis investiere viel Geld in die Attraktivitätssteigerung und feile kontinuierlich an der Optimierung des Netzes.

Dießl erinnerte an die Tarifreform, bei der 2019 aus über 20 Tarifzonen fünf wurden, was den Landkreis Jahr für Jahr 300 000 Euro Ausgleichszahlungen für entgangene Ticketeinnahmen an andere Aufgabenträger, etwa die Deutsche Bahn, koste. 2020 wurde das 365-Euro-Ticket für Schüler und Azubis eingeführt. Das sei nicht ohne die Kofinanzierung des Freistaates möglich gewesen. Dies gelte auch für das 365-Euro-Ticket für alle: "Die Kommunen können das nicht im Alleingang schultern, da braucht es Zuschüsse von Staat und Bund."


Studie über Bus und Bahn: Fürth ist sehr gut vernetzt


Zudem müsse jede Entscheidung im weitreichenden Verbund des VGN, in dem 27 Gebietskörperschaften kooperieren, abgestimmt werden. Der Alleingang Nürnbergs, das 365-Euro-Ticket einzuführen, habe bereits zu "massiven Verwerfungen" im VGN geführt. Wobei es für den Landrat fraglich ist, ob das Ticket dort tatsächlich 2023 kommt: "Schließlich werden die Haushaltslücken in Nürnberg immer größer."

Ein Gutachten, das der VGN zur Machbarkeit des 365-Euro-Tickets in Auftrag gegeben hat, erwartet Dießl noch im Oktober. "Dann haben wir Konkretes, auf dem wir Entscheidungen aufbauen können." Auch für das Jahresticket zum Pauschalpreis in Nürnberg dürfte es noch maßgeblich sein. Die Frage Handschuchs, ob das 365-Euro-Ticket, wenn es denn in der Noris komme, für Oberasbach, Stein und Zirndorf, die im Stadttarif liegen, ebenfalls gelte, musste Dießl offen lassen. "Wir leben nicht auf einer Insel. Alle Entscheidungen müssen im Verbund des Zweckverbands getroffen werden."

1 Kommentar