Letzter Wunsch: Syrischer Krebspatient sieht seine Kinder wieder

16.8.2018, 18:00 Uhr
Letzter Wunsch: Syrischer Krebspatient sieht seine Kinder wieder

© Foto: Dittmar

Vor dreieinhalb Jahren schon floh der damals 16-jährige Sohn aus dem umkämpften Vorort Babila im Süden von Damaskus nach Deutschland. Er hat den Krieg hautnah miterlebt, die Bombe des IS vor dem väterlichen Farbenhandel, den Einmarsch der syrischen Armee und deren spätere Befreiung aus dem Kessel durch die Russen. Zum Lebensunterhalt mussten er und seine beiden jüngeren Geschwister mit dem Verkauf von Textilien auf offener Straße beitragen.

Seine Eltern wollten ihm das bevorstehende Schicksal – Kampfeinsätze bei der syrischen Armee – ersparen und finanzierten seine Flucht nach Deutschland. Nach Stationen in Germersheim, Ingolstadt und Schwarzenbruck landete er schließlich in Fürth. Seinem Vater ging es damals schon miserabel, nur konnte die Krankheit Lungenkrebs in Syrien lange nicht korrekt diagnostiziert werden.

In Syrien falsch behandelt

Zur besseren medizinischen Versorgung floh er deshalb heuer im Januar mit seiner Ehefrau zu seinem Sohn nach Fürth. Dieser hatte ihn dabei sehr unterstützt. Schnell erkannte man hier, wie ernst die Erkrankung ist, die in Damaskus falsch behandelt wurde, weil die Ärzte Rheuma für die Beschwerden verantwortlich machten. Seine Krebserkrankung wurde in Deutschland als unheilbar eingestuft. Seit dem Frühjahr besucht ihn nun regelmäßig Anne Witzky, die als examinierte Altenpflegerin und Palliativ-Care-Fachkraft beim Hospizverein arbeitet.

Sie merkte rasch, dass ihrem Patienten außer der Krebserkrankung noch etwas schwer zusetzt. "Immer, wenn wir von seinen noch in Syrien bei der Großmutter lebenden Kindern sprachen, musste er weinen", berichtet Anne Witzky. Sie besprach sich mit Vereinschef Roland Hanke und dessen Stellvertreter Anastasios Kostopoulos, die sofort bereit waren, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um den zwölfjährigen Sohn und die 15-jährige Tochter nachholen zu können.

"Es gehört zu unseren Aufgaben"

Erst sah es nicht danach aus, dass dieses Vorhaben gelingen könnte, doch dann hatte die Intervention der beiden Mediziner bei Hilfsorganisationen und der deutschen Botschaft im Libanon — die Botschaft in Damaskus ist geschlossen – Erfolg. Mehrerer Schreiben und Telefonate hatte es bedurft, um die Behörden vom Ernst der Lage zu überzeugen. Am 6. Juli war es endlich so weit: Das Wiedersehen konnte in Fürth gefeiert werden. Seit die Familie wieder vereint ist, wirkt der Vater trotz seiner schlimmen Krankheit sehr erleichtert, kann sogar wieder lächeln. Kinder und Ehefrau genießen vorerst Bleiberecht bis zum Tod des Mannes.

"Es gehört auch zu unseren Aufgaben, letzte Wünsche zu erfüllen", sagt Anne Witzky, die seit 2007 Todkranke auf dem schweren Weg begleitet und ihnen alle erdenklichen Erleichterungen verschafft. Etwa mit Klangschalen- und Aromatherapie. Die Krankenkassen ermöglichen diese Leistungen mit Pauschalbeträgen.

Für eine Afrikanerin aus einem Veitsbronner Flüchtlingsheim organisierte der Hospizverein Medikamente und den Flug nach Eritrea. Sie wollte unbedingt in ihrer Heimat sterben. "Von einem Mitarbeiter der Migrationsbehörde wurden wir deshalb belächelt", sagt Hanke. Solche Herzlosigkeit macht ihn allerdings nicht mutlos.

Er hat schließlich auch schon das Gegenteil erlebt. Als er sich nämlich für das Bleiberecht einer todkranken Armenierin mit ihrer zweijährigen Tochter einsetzte. Zunächst war das rigoros verweigert worden. Als er dem zuständigen Behördenmitarbeiter aber die dramatische Lage der Frau schilderte, war dieser zu Tränen gerührt. Umgehend stellte er das erforderliche Dokument aus.

Humanitäre Herausforderung

Hanke berichtet, dass medizinische Gründe als Fluchtursache eine zunehmende Rolle spielen. Der Hospizverein macht keinen Unterschied zwischen einheimischen Patienten und Flüchtlingen. Die humanitäre Herausforderung ist dieselbe. Aus Erfahrung weiß die seit 2007 für das Palliativ-Care-Team tätige Anne Witzky, dass eine Familienzusammenführung von unschätzbarem Wert auf dem letzten Weg ist, fast ebenso wichtig wie umfassende medizinische Betreuung.

"Unser Einsatz besteht zu zwei Dritteln aus Familienarbeit", sagt sie. Bei ihren Besuchen des sterbenden Syrers wird sie von einer arabischen Bestatterin als Übersetzerin begleitet. In der Regel bekommen die Patienten Bleiberecht bis zum Tod. Die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen bezeichnet Hanke als "überaus großzügig und unglaublich unkompliziert". Dass selbst ein Mann wie der syrische Vater durch die Bemühungen des Palliativ-Care-Teams noch einmal Glück erfährt, ist für den Mediziner und seine Mitstreiter der schönste Dank.

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