Tänzer, Choreograf, Regisseur

Mecnun Giasar aus Fürth erobert die Welt

11.12.2021, 06:00 Uhr

© Privat

Mecnun Giasar aus Fürth könnte in diesem Moment vielleicht schon einen riesigen Siegespokal sein Eigen nennen. Der 28-Jährige hatte sich nämlich bereits auf den Weg gemacht, um als Teilnehmer für Deutschland beim Red Bull Dance Your Style Welt-Finale im südafrikanischen Johannesburg gegen die internationale Elite anzutreten. Doch der Tanzwettstreit wurde abgesagt: "Aufgrund der aktuellen pandemischen Situation in Südafrika" heißt es ebenso lapidar wie einleuchtend auf der Internetseite des Veranstalters. 2022 soll die Entscheidung nachgeholt werden.

"Trotzdem sehr viel los"

"Das ist schon okay", kommentiert Mecnun Giasar von unterwegs in einer Mail an die FN. Den Kopf hängen zu lassen, gehört garantiert nicht zu den Disziplinen des außergewöhnlichen Künstlers, der bis heute konsequent seinen eigenen Weg gegangen ist. Die Nachricht von der Absage des großen Tanz-Finales, für das er sich mit einem Sieg bei der nationalen Entscheidung in Berlin qualifiziert hatte, erreicht ihn in der Türkei. Er beruhigt: "Ich habʼ hier jetzt viele Meetings mit Künstlern und Marken, es ist also trotzdem sehr viel los." Ein spontan angesetzter Workshop mit Fans, die Giasars Tanzstil kennenlernen wollen, war innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Inzwischen ist der Kosmopolit aus Fürth für ein Musikvideo in Albanien.

1993 kam er im Nathanstift zur Welt, seine Familie stammt aus Griechenland und hat Wurzeln in der Türkei. Schon als kleiner Junge will Mecnun seine Kreativität ausdrücken. Statt an elterlichen Druck, wenn er dafür das Lernen mal nicht so hoch ansetzte, erinnert er sich heute vor allem an Verständnis: "Zuhause war für mich mehr als okay. Ich hatte auch das Glück, dass mein Vater Musiker ist." Zum Schlüsselpunkt wird für ihn das Kinder- und Jugendhaus Catch Up, das damals noch in der Wasserstraße Räume hatte. "Da hat alles für mich angefangen. Das war der Ort, an dem ich Ideen umsetzen konnte. Die Erzieherinnen und Erzieher haben mir alles ermöglicht."

Früh weiß Mecnun Giasar exakt, was er will. Unterricht gehört nicht dazu. In der siebten Klasse verlässt er die Maischule. Das war für ihn kein klassisches Abbrecher-Ding, macht er klar: "Meine Noten waren nicht schlecht und die Lehrer gut, aber ich wollte tanzen." Seine Siege bei ersten Wettbewerben und Meisterschaften bestärken ihn. Natürlich gab es dennoch Zweifel, ob nicht eine solide Berufsausbildung dazugehört, um den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Trotzdem folgt Giasar seinem Traum, arbeitet hart und macht die Welt zu seiner Bühne.

Heute ist er Tänzer, Choreograf, Performance-Künstler, Regisseur. Wenn er im Telefongespräch mit den FN kurz auflistet, mit wem er schon zu tun hatte, dann klingt das fabelhaft. Er war zum Beispiel mit BTS auf Tournee, die südkoreanische Boygroup gilt im Pop-Geschäft derzeit als das Maß aller Dinge. Mit ihnen stand Mecnun Giasar im Londoner Wembley-Stadion vor Zehntausenden als Tänzer auf der Bühne. Oder mit Heidi Klum. Eine Währung, die in den sozialen Medien hoch angerechnet wird, ist die Zahl der Follower. Allein bei Instagram sind es 112.000, die miterleben, was der Fürther aus seinem Leben zeigt. Darunter sind bekannte Namen. Die britische Schauspielerin Emma Corrin, die als junge Lady Diana in "The Crown" bekannt wurde, zählt etwa zu denen, die ihm folgen.

"Ohne Familie kann ich nicht"

Schubladen existieren für Mecnun Giasar nicht. Weder, wenn es um seinen Stil, noch wenn es um sein Denken geht. Als Tänzer drückt er sich in einem individuellen Mix aus HipHop und Voguing aus, einer Bewegung, deren Ursprung in der New Yorker LGBTQ-Bewegung der siebziger Jahre liegt. Der Mann, dessen sehr lange, elegant lackierte Fingernägel so etwas wie ein Markenzeichen geworden sind, will nicht zuletzt der queeren Szene eine Stimme geben. Folgerichtig hat er einen Film zu "Madonna" von den Rappern Bausa und Apache 207 produziert, der ein diverses Frauenbild feiert – was bisher alles andere als selbstverständlich in der Deutsch-Rap-Szene ist.

Längst ist Mecnun Giasar zum Weltbürger geworden. Er hat 48 Länder bereist, lebte in Los Angeles und Barcelona. Heute hat er eine Wohnung in Berlin und kommt doch am liebsten "nach Fürth". Die Stadt verbinde er ganz einfach "mit Zuhause". Er schätzt die Toleranz hier und mag es, dass ihn "jeder kennt". Dazu kommt noch eines: "Ohne Familie kann ich nicht."

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