Mehr als der Atomausstieg

19.10.2012, 13:00 Uhr
Mehr als der Atomausstieg

© Leberzammer

„Die Energiewende ist wesentlich mehr als der Atomausstieg“, machte der 34-Jährige deutlich. Vor vier „Baustellen“ sieht Ludwig Hartmann die Politik in den kommenden Jahren: Strom, Heizung, Landwirtschaft und Verkehr. In seinem Vortrag nahm er sich des elektrischen Stroms an.

Dass der in absehbarer Zeit hierzulande knapp werden könnte, bezweifelt Hartmann: „Wir haben eindeutig ein Überangebot.“ Der Preis für die Kilowattstunde steige zwar, jedoch stärker als die von der Bundesregierung dafür verantwortlich gemachte Umlage für erneuerbare Energien. Da gebe es noch andere Kostenfaktoren, so Hartmann, der gleichzeitig die „zu vielen“ Ausnahmen für energieintensive Betriebe geißelte: „Jetzt beantragen sogar schon Golfplätze mit Flutlichtanlagen solche Freistellungen.“

Für das von der rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebrachte Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) müsse sich jedenfalls niemand schämen. Es habe viel dazu beigetragen, neue Techniken zur Marktreife zu bringen und sei eine der besten Entwicklungshilfemaßnahmen. Trotz der zunehmend auf den Markt drängenden Mitbewerber aus China werde etwa bei der Photovoltaik der größte Teil der Wertschöpfung durch den Aufbau und die begleitende Technik in Deutschland erzielt.

Um das Ziel der Grünen – 100 Prozent des Stroms soll bis 2030 aus nachwachsenden Rohstoffen produziert werden – zu erreichen, müssten vor allem Wind- und Sonnenkraftwerke ausgebaut werden. „Die müssen den größten Brocken tragen, weil sie im Gegensatz zu Wasserkraft und Biomasse tatsächlich unbegrenzt verfügbar sind“, so Hartmann. Um Spitzenlasten bedienen zu können, empfiehlt er den Ausbau dezentraler Blockheizkraftwerke. Für den Umstieg seien aber auch neue Trassen nötig: „Die eine oder andere Leitung werden wir brauchen.“ Der größte Teil dieses Ausbaus betreffe jedoch nicht die überregionalen, sondern die lokalen Netze. Leistungsfähigere Kabel und intelligentes Trassenmanagement sind für den grünen Landtagsabgeordneten dabei ein Lösungsansatz. Entscheidend sei letztlich, den Ausbau in staatliche oder zumindest teilstaatliche Hände zu legen. Die derzeit vier großen Netzbetreiber in Deutschland hätten einfach zu unterschiedliche Interessen.

Der schwarz-gelben Landesregierung unterstellt Hartmann, dass die die Energiewende gar nicht mehr will. „Unkoordiniert und orientierungslos“ sei die Koalition – sowohl in München als auch in Berlin. Besonders bei Energiesparen und –effizienz sei der politische Konkurrent tatenlos. „Die Staatsregierung geht davon aus, dass wir auch in zehn Jahren die gleiche Strommenge verbrauchen und hat keine Ideen oder Vorschläge, wie man hier sparen könnte.“ Um die Ziele zu erreichen, plädiert er für mehr Bürgerbeteiligung, für eine „Renaissance der Stadtwerke.“ Davon profitiere der Zahnarzt ebenso wie der Hartz-IV-Empfänger, weil die Profite etwa in öffentliche Bäder oder den ÖPNV flössen.

Wolfram Schaa, Kreisrat und Mitglied des grünen Kreisvorstands, sieht den Landkreis Fürth bei der Energiewende im Vergleich zu anderen deutlich im Hintertreffen. Ein „Energiegenossenschaftsvakuum“ bestehe hier, während es bayernweit mittlerweile über 200 solcher Geschäftsformen gebe, die für ihn vor allem Vorteile hat: Für den einzelnen Geldgeber bleibe das finanzielle Risiko minimal und er könne gleichzeitig vor Ort den Umstieg auf erneuerbare Energie vorantreiben und davon sogar profitieren.

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