Mehr Unkraut wagen: Insekten fliegen auf Wildpflanzen

29.3.2019, 11:00 Uhr
Mehr Unkraut wagen: Insekten fliegen auf Wildpflanzen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Katharina Michielin hat sich schon in ihrer Jugend für alles interessiert, was grünt und blüht. Später robbte sie auch mal mit der Lupe in der Hand auf dem Boden, um zu entdecken, was aus Mauerritzen und Pflasterfugen wächst. Aber als die Umweltpädagogin dann irgendwann einen eigenen Garten hatte, wurde ihr bewusst, dass man eine Wahl treffen muss: Die Wahl darüber, was dort wachsen darf und was nicht. Denn Un-Kräuter, also unerwünschte Kräuter, hatte es in ihrem vorherigen Leben nicht gegeben. "Viele Pflanzen, die sich in meinem Garten ansiedeln, dürfen bleiben", sagt die studierte Biologin. Der Holunder etwa oder die Eberesche, die plötzlich ungefragt wuchsen. "Manchmal greife ich dann ein und sage mir: Stopp, du nicht auch noch", räumt Michielin ein. Allerdings müssen bei ihr auch manchmal Gewächse weichen, die andere extra kaufen. Ein Kirschlorbeer etwa musste dran glauben. Der Grund: Der immergrüne Strauch aus Kleinasien bietet heimischen Tieren keinen Lebensraum.

Dafür, dass ihr Garten nicht zu aufgeräumt ist, Wildblumen anstelle eines englischen Rasens wachsen und kein Kies ihre Beete bedeckt, wird Michielin mit vielen Gästen belohnt. Bei ihr summen Insekten, brüten Vögel und fliegen Fledermäuse.

Wer aber den Kampf gegen den quasi unausrottbaren Giersch aufnehmen will, dem empfiehlt Michielin, ihn aufzuessen. Das rät sie auch bei Brennnesseln und Löwenzahn. Letzteren kann man inklusive Wurzel verwerten, aus seinen Blüten lässt sich sogar Marmelade herstellen. Oder man erfreut sich am sonnigen Gelb der Blumen und bietet so Insekten einen reich gedeckten Tisch. Katharina Michielin lässt die Pflanze deshalb stehen. Allerdings nur solange, bis sie abgeblüht ist – und bevor sie sich aussät.

Unkraut soll wachsen dürfen

Das kleine Stück Natur vor der Haustür nicht zu ordentlich zu gestalten, dazu rät auch Markus Erlwein. Der Sprecher des Landesbundes für Vogelschutz würde sich wünschen, dass der Rasenmäher öfter mal Pause macht, kein Gift versprüht wird und neben einem Laubhaufen in einer Ecke auch das Unkraut wachsen darf. "Dann fühlen sich viele Tiere wohl."

Als Gartenbesitzer hat man es meist mit einer überschaubaren Fläche zu tun – anders sieht das beim städtischen Grünflächenamt aus. Es ist nicht nur für den Stadtpark zuständig, sondern auch für das so genannte Straßenbegleitgrün, also jene Flächen, die entlang von Verkehrswegen verlaufen, für Mittelstreifen oder grüne Verkehrsinseln. Insekten und andere Tiere dürfen sich freuen: Unkraut bleibt hier schon mal stehen und bietet so Nahrung oder Rückzugsort. Besonders gründlich gejätet — die Mitarbeiter des Grünflächenamts kommen ohne Gift aus — wird der obere Teil des Stadtparks, also rund um die Kirche, das Stadtparkcafé und entlang der Hauptallee. "Dort soll das Unkraut nicht höher als die Pflanzen werden", sagt Birgit Auerswald, beim Grünflächenamt zuständig für den Unterhalt.

Läuft man den Hügel hinab in den unteren Stadtparkbereich, zeigt sich ein anderes Bild. Dort, unter den Bäumen, darf Unkraut wachsen. "Im Wald zupft man das ja auch nicht raus", sagt Auerswald. Auch das Straßenbegleitgrün kann sich – so es den Verkehr nicht behindert – nahezu ungestört ausbreiten. Zwei- bis dreimal im Jahr wird es gemäht, Biotopflächen gar nur einmal jährlich.

Ein besonderes Schmuckstück des Parks ist der so genannte Empfangsgarten vor der Auferstehungskirche. Dort wird jedes Jahr im späten Frühling ein aufwendig zusammengestelltes Arrangement von Sommerblumen gepflanzt. Für Insekten, das räumt Auerswald ein, ist dies nicht besonders attraktiv. Vor fünf Jahren hingegen schmückten das Beet, wegen Personalmangels, bunte Wiesenblumen, die aus einer Saatmischung wuchsen. Sie waren ein Festschmaus für Hummeln, Bienen und Falter; auch viele Fürther begeisterte damals der Anblick.

Eine Wiederholung dieser Blütenpracht ist dennoch nicht geplant. Grund: der Aufwand, der nötig war, um das Beet wieder unkrautfrei zu bekommen. "Wir mussten es aufwendig und teuer bedampfen, um die Samen abzutöten", sagt Auerswald, die daraus gelernt hat: "Wenn man sich für angesäte Rabatten entscheidet, dann muss man dabei bleiben."

Keine Kommentare