Roßtals neues Sportgelände

Sportmeile: Mit einem Freudensalto in die Schaumstoffgrube

Sabine Dietz

Lokalredaktion Fürth

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13.9.2018, 21:00 Uhr
„Ich hänge am Turnen“, sagt Erwin Hemmeter. Von der Sportmeile ist er begeistert, sie biete optimale Trainingsmöglichkeiten.

© Hans-Joachim Winckler „Ich hänge am Turnen“, sagt Erwin Hemmeter. Von der Sportmeile ist er begeistert, sie biete optimale Trainingsmöglichkeiten.

Herr Hemmeter, Sie waren über Jahrzehnte Schriftführer des Vereins und redaktioneller Leiter des "Turnerbriefes", bevor sie sich aus der aktiven Vorstandsarbeit zurückzogen. Das hat Ihnen den Titel Ehrenschriftführer des TVR beschert. Den TVR gibt es nach der Fusion mit dem Tuspo nicht mehr. Dürfen Sie Ihren Titel denn mitnehmen zum neuformierten TurnSportVerein, kurz TSV?


Hemmeter: Aber ja, genauso wie die anderen 44 Ehrenmitglieder. Wir haben über 75 Personen, die beitragsfrei sind, das bleibt auch im TSV so — Spenden bleiben freilich immer willkommen. Wie das im Einzelnen geregelt wird, ist noch zu klären, aber über die Beiträge müssen sich alle TSV-Mitglieder bei der Jahresversammlung sowieso noch unterhalten. Ganz so günstig wie bisher wird es wohl nicht bleiben.


Mit dem TSV sind 104 Jahre TVR Vergangenheit. Kommt da keine Wehmut auf?

Hemmeter: Bei mir nicht. Ich hänge am Turnen. Das ist für mich eine Lebenseinstellung. Über Turnvater Jahn habe ich schon in der Schule ein Referat gehalten. Turnen ist die allumfassende Leibesübung. Für mich fällt da weit mehr als sportliche Aktivität darunter. Wir haben gesungen, sind gewandert, haben Theater gespielt, das hat mich an den Verein gebunden. 1950, mit 14, bin ich dem TVR beigetreten und wie viele andere mit der Jahnhalle groß geworden.


Na, das klingt aber doch ziemlich wehmütig .. .

Hemmeter: Iwo. Für mich war klar, dass wir dort oben an der Jahnturnhalle keine Zukunft mehr haben würden. Wir hatten weder die Mittel für eine Sanierung, noch für eine Vergrößerung. Im vergangen Winter haben wir gebetet, dass die Heizung — eine Dampfheizung, wie sie in Fabriken üblich war und die 1964 eingebaut wurde — nicht schlapp macht. Und dass die TeamGym-Mädels immer die Hallentür aufmachen mussten, damit sie genügend Anlauf nehmen konnten, war doch auch kein Zustand.


Und das waren Ihre Argumente, die Werbetrommel für die Fusion und das gemeinsame Sportzentrum zu rühren?

Hemmeter: Nicht nur. Unsere Handballer mit zig Mannschaften haben sich im Winter die Mittelschul-Turnhalle mit den Fußballern vom Tuspo, aus Großweismannsdorf und aus Raitersaich geteilt, da hat es durchaus mal Reibereien gegeben. Jetzt haben die Handballer eine eigene Halle und die Tuspo-Fußballer ein Großfeld mit Kunstrasen, auf dem sie auch im Winter trainieren können. So ist in der Mittelschulhalle wieder Luft. Und unsere TeamGym-Mädels bekommen eine Halle, die mit Anlaufgang und Schaumstoffgrube optimal auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Nebenbei zeigt sich jetzt, dass sich die Jugend von TVR und Tuspo, die sich zuvor nie getroffen hat, unheimlich gut versteht. Sie haben über die Sportmeile zusammengefunden. Ganz abgesehen davon hat Roßtal enormen Nachholbedarf bei der Wohnbebauung.

Inwieweit?

Hemmeter: Junge Roßtaler bauen zum Beispiel in Großhabersdorf, da brauchen sie immer zwei Autos, dabei haben wir in Roßtal einen super Bahnanschluss. Jetzt werden die früheren Sportgelände von Tuspo und TV für Wohnbebauung überplant. Außerdem haben mit der Sportmeile die 17 000 Quadratmeter Grund an der Buchschwabacher Straße, die uns unser ehemaliger Ehrenvorsitzender Georg Oetterich schon vor Jahren vermacht hat, eine prima Verwendung gefunden.


Das neue Sportzentrum ist ein Großprojekt, dessen Bau zu 100 Prozent in der Hand von Profis lag. Gehen wir doch mal zurück in der Zeit: Die Jahnturnhalle ist 1953 bis 1955 komplett in Eigenleistung entstanden.

Hemmeter: Das stimmt. Da ist keine einzige Arbeitsstunde bezahlt worden. Alle haben mit angepackt. Die Halle war zur Existenzfrage geworden. In dem Wirtshaussaal, in dem geübt wurde, war kein ordentlicher Turnbetrieb möglich. Unser Ehrenmitglied Hans Walther hat damals alle Pläne und die Statik erstellt, ohne einen Pfennig dafür zu verlangen. Die Steine haben wir selbst aus Koksschlacken gemacht. Die Bauern haben wir angehauen, damit sie uns das Holz für die Dachkonstruktion stiften. Für den kleinen Zuschuss, den wir vom BLSV bekommen haben, musste die Vorstandschaft privat bürgen. So entstand meines Wissens die erste nach dem Krieg von einem Turnverein gebaute Halle in ganz Mittelfranken, mit der wir auch Schulturnen ermöglichten. Wo sonst hat‘s das in einem vergleichbaren Ort gegeben?

Das lässt auf eine äußerst innige Verbindung schließen, da will man gar nicht glauben, dass es wirklich keine Gegner der Fusion gab.

Hemmeter: Für mich und meine Turnfreunde war diese Halle, an deren Entstehen wir mitgearbeitet haben, ein Stück weit unser Zuhause. Und es gab sicher Stimmen, die mit dem Argument, da sind wir groß geworden, gegen die Fusion hielten. Aber dagegen zu stimmen in der entscheidenden Sitzung, hat sich dann doch keiner getraut. Wir hatten ein einstimmiges Votum.


Glauben Sie, der Preis, die Eigenständigkeit für die Sportmeile aufzugeben, war zu hoch?

Hemmeter: Nein, keinesfalls. Wir sind doch nach wie vor unabhängig, nur eben als größere Einheit. Von der Sportmeile bin ich nicht nur begeistert, sondern hellauf begeistert und das werden alle sein, die sie sich am Wochenende ansehen.

Und bei der Einweihung der Hallen am Sonntag dürfen sich die Besucher dann auf einen Freudensalto des Turners Erwin Hemmeter in die Schnitzelgrube freuen, oder?

Hemmeter: Na, ich weiß nicht . . . Okay, dann nehm‘ ich halt meine Hallenschuhe mit. In punkto Schuhwerk müssen sich jetzt sowieso alle umstellen, da heißt es, Disziplin zu zeigen: Der Straßen-Turnschuh ist jetzt absolut tabu.

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