Modeversender aus Zirndorf spürt Folgen des Brexits

13.11.2016, 16:00 Uhr
Modeversender aus Zirndorf spürt Folgen des Brexits

© Foto: Madeleine

Herr Valk, die Quelle ist Geschichte. Wie steht Madeleine heute da?

Volker Valk: Sehr gut. Wir sind ein internationales Unternehmen mit etwa 250 Mitarbeitern, 220 davon am Standort in Zirndorf. Wir sind ein klassisch vertikal aufgestellter Modeversender, das heißt, unsere Damenmode gibt es nur bei uns, und wir verkaufen auch nur unsere Mode. Abgesehen von einem Ladengeschäft in Nürnberg setzen wir konsequent auf den Versandhandel und wollen das auch in Zukunft nicht ändern. In Österreich, der Schweiz, Frankreich, Belgien, Großbritannien und den Niederlanden sind wir zudem vertriebsseitig mit Niederlassungen präsent. In Russland und Griechenland gibt es nur unsere Onlineshops.

 

Was passiert am Standort Zirndorf?

Valk: Die komplette Kollektionserstellung für alle Länder und alle Märkte. Wir arbeiten nicht mit unterschiedlichen Kollektionen oder Größensätzen, und es gibt bei uns keine Anpassung an lokale Märkte. In Zirndorf gestalten wir außerdem die Kataloge und den Online-Auftritt. Der Kundenservice ist hier genauso Zuhause wie die Logistik und Lagerhaltung, auch wenn wir diese Aufgaben ausgelagert haben. Außerdem läuft die Vermarktung von Überhängen, die Finanz- und Personalorganisation zentral in Franken.

 

Wie zufrieden sind Sie mit dem Standort Zirndorf?

Valk: Sehr zufrieden. Zum einen, weil er so gewachsen ist, zum anderen, weil wir hier tolle Mitarbeiter haben, die sich stark mit Madeleine identifizieren. Wir haben einen Frauenanteil von 80 Prozent und haben zum Beispiel sehr gute Erfahrungen gemacht mit aus Elternzeit zurückkehrenden Müttern.

 

Sie haben vorhin erwähnt, dass Madeleine nach Russland verkauft. Treffen Sie Handelsbeschränkungen oder die instabile Lage dort?

Valk: Handelsbeschränkungen sind für uns kein Problem, aber wir haben seit etwa drei Jahren mit der Währung Rubel zu kämpfen. Die Kaufkraft in Russland ist dramatisch eingebrochen und weil unsere Preise eurobasiert sind, wird unsere Ware in der Konsequenz für die russische Kundin teurer und teurer. Ähnliches gilt für Griechenland, nur dass wir dort keine Währungs-, sondern Kaufkrafteffekte haben. Allerdings war der griechische Markt für uns ohnehin eher ein kleinerer mit Umsätzen im sechs- bis siebenstelligen Bereich.

 

Und wie stellt sich die Lage in UK dar? Machen sich da schon Folgen des beschlossenen Brexits bemerkbar?

Valk: Der Markt in UK ist momentan aus zwei Gründen eine Herausforderung: Zum einen sind wir ein eurobasiertes Unternehmen und berichten in Euro. Jeder Umsatz in britischem Pfund ist aber heute in Euro weniger wert. Das ist jedoch für das Geschäft kein Problem, sondern ein reiner Währungseffekt. Da sind wir auch mittel- bis langfristig entspannt, weil wir glauben, dass sich das normalisieren wird.

Die zweite Herausforderung ist gravierender: Wir stellen momentan eine generelle Kaufzurückhaltung im britischem Markt fest. Das ist kein Wechselkursthema und auch nicht auf Mode beschränkt. Wir vermuten dahinter vielmehr eine gewisse Unsicherheit der britischen Kundinnen unter der Überschrift Brexit. Trotzdem wachsen wir weiter in England. Der britische Modemarkt ist nach wie vor einer der größten überhaupt. Dieses Potenzial werden wir auch weiter nutzen.

 

Modeversender aus Zirndorf spürt Folgen des Brexits

© Foto: ToMa

Wie sieht es auf dem deutschen Markt aus? Können Sie die oft konstatierte geringe Sparneigung und große Konsumfreude bestätigen?

Valk: Kaufbereitschaft, oder das Gegenteil davon, kommt immer in Schüben. Generell wächst der deutsche Markt und der für unsere Kernzielgruppe der 45- bis 60-Jährigen. Grundsätzlich bieten wir aber Mode für selbstbestimmte Frauen jedes Alters und haben zum Beispiel immer auch schon die ab 30-Jährigen angesprochen. 60 Prozent unseres Umsatzes machen wir in Deutschland. Wir haben das Glück, stabile und treue Kundinnen zu haben. Allerdings muss man sich unser Mode leisten können und wollen. Es ist schon so, dass die Kundinnen in unsere Mode reinwachsen.

 

Wie entwickelt sich die Nachfrage bei Madeleine im Laufe eines Jahres?

Valk: Wir sind kein typischer Einzelhandel, der eine starke Vorweihnachtszeit hat, weil unsere Mode nicht verschenkt wird. Unser Umsatz hängt im Wesentlichen davon ab, welche Werbemittel gerade neu auf dem Markt sind. Wir haben vier Hauptkollektionen pro Saison, erfinden uns also achtmal im Jahr neu. Besonders umsatzstark sind die Vorosterzeit und der Spätsommer.

 

Die Klagen des stationären Einzelhandels über die Konkurrenz aus dem Internet sind unüberhörbar. Liegt die Zukunft tatsächlich im Online-Handel?

Valk: Die Zukunft ist eigentlich schon heute. Wenn man sich einen Modeversandhändler mit unserer Kundenaltersstruktur anschaut, dann mag es vielleicht auf den ersten Blick überraschen, dass wir bereits zu 40 Prozent Online-Kundinnen haben. Gleichzeitig bestätigen unsere regelmäßigen Befragungen, dass der gedruckte Katalog für unsere Kundinnen immer noch einer der wichtigsten Schlüssel zu unserer Marke ist. Hier geht es vor allem um die Inspiration, die Exklusivität und das „Madeleine-Gefühl“.

 

Wie passt das zusammen? Sind herkömmliche Kataloge und ein Online-Auftritt nicht gegensätzliche Welten?

Valk: Das wird sicher eine Herausforderung der Zukunft, möglichst viel dieser Exklusivität, wenn man einen Katalog von Madeleine in die Hand nimmt, in die Online-Welt zu transportieren. Das steht und fällt mit einer hochwertigen Darstellung auch im Online-Bereich. Sie können natürlich das rein physische Gefühl nicht kopieren, aber Sie müssen eine Erlebniswelt schaffen, Sie müssen dieses ,Das-will-ich-haben-Gefühl‘ auch online erzeugen. Und das gelingt uns schon heute ganz gut. Nicht zuletzt treiben die gedruckten Kataloge unseren Umsatz im Online-Bereich.

 

Welche Zukunftspläne für Madeleine haben Sie?

Valk: Wir möchten europaweit online bestellfähig werden und einen EUweiten Webshop aufbauen. Wenn Sie heute zum Beispiel auf den Kanarischen Inseln überwintern, können Sie sich dorthin noch nicht unsere Mode schicken lassen. Das kriegen wir im Moment technisch noch nicht hin. Sie können unsere Ware derzeit nur in den eingangs genannten neun Ländern beziehen.

 

Wo und wie lässt Madeleine seine Mode produzieren?

Valk: Wir produzieren zu etwa 70 Prozent in Europa, das heißt vor allem in der Türkei, in Portugal und Italien, aber auch in Deutschland. Die verbleibenden 30 Prozent werden in Asien gefertigt, dort vorwiegend in China und Thailand. Tendenziell sind die asiatischen Länder etwas billiger – auch wenn das durch die Euroschwäche und Dollarstärke in den letzten Monaten und Jahren gelitten hat. Man darf sich aber bei der Auswahl der Lieferanten nicht vom reinen Preis leiten lassen.

 

Sondern wovon noch?

Valk: Wir stehen ganz klar zu unserer Verantwortung als international tätiges Handelsunternehmen. Das heißt konkret, die Arbeitsbedingungen, die bei unseren Lieferanten herrschen, sind uns sehr wichtig. Deshalb sind wir Mitglied der Business Social Compliance Initiative (BSCI), die sich die Verbesserung von Sozialstandards in der weltweiten Lieferkette zum Ziel gesetzt hat. Außerdem pflegen wir mit unseren Lieferanten langjährige Partnerschaften. Unsere Mitarbeiter sind zum Beispiel regelmäßig bei unseren Lieferanten und machen sich hierbei auch ein Bild von den Arbeitsbedingungen.

 

Welche Tipps können Sie global agierenden Unternehmen geben?

Valk: Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, strategisch sinnvolle Entscheidungen nicht von temporären Ereignissen wie Wechselkursschwankungen abhängig zu machen. Ein Einkaufsmarkt in Asien ist zum Beispiel nicht per se schlecht, weil der Dollar gerade hoch steht. Man muss an seine Stärke glauben, und wenn man in der glücklichen Lage ist – so wie wir – diesen langen Atem zu haben, dann sollte man auch an seiner Strategie festhalten.

Wir tun das zum Beispiel gerade in Russland und senken dort nicht die Preise. Weil wir langfristig denken und glauben, dass sich der Rubel wieder stabilisiert. Das heißt natürlich nicht, dass wir uns nicht mit Währungssicherung und Natural Hedging (Natürlicher Sicherung) beschäftigen würden, um die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben in einer Währung zu reduzieren.

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