Gedenktag für Holocaust-Opfer

Musikalische Lesung in Fürth: Bedrückendes Zeichen gegen das Vergessen

Armin Leberzammer

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29.1.2023, 18:34 Uhr
Die Streicher gaben der Veranstaltung mit Musik von Bosman und Schostakowitsch den passenden Rahmen.

© Tim Händel, NN Die Streicher gaben der Veranstaltung mit Musik von Bosman und Schostakowitsch den passenden Rahmen.

"Gegen das Vergessen“ ist die Koproduktion des Kölner nö theaters und des Fürther Orchesters Ventuno überschrieben. Mit Auszügen aus persönlichen Interviews und Autobiographien von vier Nürnbergerinnen und Nürnbergern ziehen sie das Publikum hinein, zuerst in die Zeit vor 1933, in der die vier Protagonisten eine fröhliche Kindheit verlebten. Hinein in die schubweise wachsende Ausgrenzung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung, bis hinein in die Kriegsjahre mit der gnadenlosen Verfolgung.

Alle vier – Alisa Kirby (1921 geboren), Hertha Gosser (1919), Herbert Kolb (1922) und Jakob Goldberger (1917) – haben die Shoah überlebt. Aber ihr langer Schatten hat sie nie wieder losgelassen. Dies wird in den von Lucia Schulz und Janosch Roloff gesprochenen Texten manchmal mehr, manchmal weniger eindeutig artikuliert – und die von den vier Streichern Judith Spehr, Sophia Schulz, Gonzalo de la Lastra und Jakub Horacek mit großem Können eingespielten Werke von Henriette Bosmans (1895-1952) und Dimitri Schostakowitsch (1906-1975) unterstreichen die Düsternis und das Grauen jener Zeit.

„Ich bin bereit, den Deutschen so manches zu verzeihen, was ihre Eltern oder Großeltern getan haben“, sagt der aus einer angesehenen Nürnberger Kaufmannsfamilie stammende Jakob Goldberger, „aber ich bin nicht bereit unter ihnen zu leben.“ Seine Heimatstadt, die ihn „nicht immer gut behandelt hat“, hat er erst als alter Mann wieder besucht.
Alisa Kirby kam regelmäßiger aus Israel zurück in ihre frühere Heimat. Die Frage, wie ein Verbrechen wie der Holocaust, von einer Kulturnation wie der deutschen begangen werden konnte, hat sie dabei niemals losgelassen. Eine Antwort hat sie dafür nicht gefunden. Beide, Kirby wie Goldberger, waren die einzigen Überlebenden ihrer Familien.

Hertha Gosser und ihr jüdischer Vater überlebten zusammen mit der christlichen Mutter. Angst und Demütigungen aber waren auch für sie Alltag. Nachstellungen durch die Gestapo konnte es schon allein wegen des Tragens eines Dirndls geben. Und es waren wohl die letzten verheerenden Luftangriffe auf Nürnberg, die sie und die wenigen Dutzend anderen noch lebenden Juden vor der Deportation retteten.

Ein bisschen Normalität?

Bis zur Befreiung versuchte sie ein Leben wie andere junge Menschen zu leben, mit Kino oder Oper, obwohl ihr all das als „Halbjüdin“ eigentlich verboten war. „Ich war höchst leichtsinnig, habe auch nicht den gelben Stern getragen.“

Herbert Kolb wiederum erlebte die Gewalt der Konzentrationslager. Das Versprechen, das sein Vater ihm und seinen Geschwistern vor der Deportation abringen wollte – nämlich so viele Deutsche wie nur möglich zu töten – löste Kolb nicht ein. Stattdessen trugen Vater und Sohn später die Geschichte der Vertreibung und Vernichtung der Nürnberger Juden zusammen. Eine umfangreiche Sammlung akribischer Augenzeugenberichte, die bis heute Zeugnis ablegt.

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