Mutmaßungen über eine Ankunft

20.12.2011, 11:00 Uhr
Mutmaßungen über eine Ankunft

© Winckler

An einem Mittwochnachmittag stand ich am Waagplatz als Kreuzelschnitzer für den Altstadtverein. Maronibrater bin ich einmal im Jahr, ein Kreuzschnitt unten, ein Kreuz oben in die Schale, fertig. Fertig ist die Kastanie für die heiße Platte, dann kann die Frucht sich öffnen, reifen und bereit sein für durchgefrorene Hände. Neben mir stand ein erfahrener Freund, und briet und brachte Brandopfer dar und ich schnitzte nur Kreuze in die harte Schale. Wer jetzt nicht weich wird, wann dann?

Kinderstimmen umsäuselten mich, Flötentöne durchschrillten meine Ohren, ein Keyboard geleitete die Sänger im Marschtempo zu dem heiligen Stall. Es gibt keine Zeit zu verlieren, oh die schöne Zeit ist nah, oder schon da, je nachdem wann die schöne Zeitrechnung anfängt.

Besondere Ereignisse werden ja besonders illuminiert, wenn ein König geboren wurde, gab es ein Feuerwerk hoch oben am Himmel und aus den Brunnen floss Freibier oder Wein vom Feinsten.

Wird ein Sohn Gottes geboren, dann erscheint ein besonderer Stern und die Nacht wird taghell erleuchtet. Hirten erschrecken sich zu Tode, werden aber durch Engelschöre beruhigt und zu dem Stall geleitet.

Himmelserscheinungen sind ja an und für sich nichts Ungewöhnliches, aufgeklärte Menschen können sie erklären, wie sie ja alles erklären können. Nur Gläubige, die nehmen so etwas als zusätzlichen Beweis, als Schmankerl gewissermaßen, das sie eigentlich nicht bräuchten, weil sie ja eh glauben.

Aber Engel und sonstige Leuchtkörper illustrieren ein Ereignis und machen es richtig schön. An Engel glaubt fast jeder, auch Atheisten sind engelsüchtig, Heilsboten wollen wir alle, fleischliche oder Geistwesen, die die ewigen Gesetze des Ego brechen und Treue über jeden Schönheitsverfall hinaus versprechen.

Nun, was rede ich. Dunkler wurde es, dunkel war es schon lang, ein Sturm zog auf, das Maronizelt wackelte, die Gasflamme drohte zu erlöschen. Schnee und Graupelwasser ergoss sich in hellen Kaskaden vom Dach. Mein Glühwein flog von der Bank. Hoch in den Lüften donnerte es gewaltig. Japanische Riesentrommeln, von Erzengeln mit gewaltigen Klöppeln geschlagen. Der Steinmetz hinter mir hatte schon vorher den Introitus abgegeben. Wozu diese Zeichen? War ein neuer Gottessohn oder Menschensohn geboren? War der alte Dalai Lama verstorben und hatte er sich in irgendeinem wonnigen tibetanischen Bauernsohn inkarniert? Machen sich nun Karawanen von Lama-Forschern aus tibetanischen Klöstern und aus Peking auf, um den neuen Gottkönig zu finden?

Oder war Josef Stalin in Wladimir Putin wiedergeboren? Anzeichen dafür hatte es gegeben.

Oder entspringt gar der schreckliche Adolf noch einmal aus einer strammen fränkischen Jungmaid?

Gewitter, gerade in dieser Jahreszeit, lösen Ängste aus. Alt geworden ist es doch noch lebendig, das Kind in mir. Die Weltklimakonferenz in Durban. Stürme und Trockenheit und all das Elend unterwegs.

Kündigte sich über dem schönen Altstadtweihnachtsmarkt also doch der Weltuntergang an? Nach dem Maya-Kalender für 2012 vorausgesagt.

Nein, eher so, als Erinnerung für die Hoffnung: Mit jedem Kind wird eine Welt neu geschaffen, weil sie so nicht in Ordnung ist und mit jedem Menschen stirbt eine Welt unwiderruflich.

Und das Fürther Himmelsspektakel gilt für jeden. Warten wir ab, wer da ankommt.



 

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